Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Beschluss vom 7.7.2009, 1 StR 41/09, BFH/NV 2009, 1951) ging es um die Frage, welche Auswirkungen es auf die Umsatzsteuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat, wenn der liefernde Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung an seinen wahren Abnehmer verschleiert und stattdessen einem Scheinabnehmer gegenüber abrechnet, um dem wahren Abnehmer einen Weiterverkauf an private Endabnehmer ohne Durchführung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland zu ermöglichen.

Der BFH hatte in seinem Aussetzungsbeschluss vom 29.7.2009, XI B 24/09, BFH/NV 2009, 1567, entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob es der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers in dessen Mitgliedstaat mitwirkt. Der Aussetzungsbeschluss des BFH war zu dem Sachverhalt ergangen, zu dem der BGH den EuGH um Vorabentscheidung bat (der dem BFH-Beschluss vorausgegangene Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 11.3.2009, 1 V 4305/08, StE 2009, 325 ist in dem Vorlagebeschluss des BGH unter Rz. 38 zitiert).

In seinem Beschluss vom 20.11.2008, 1 StR 354/08, NJW 2009, 1516, hatte der BGH noch (ohne Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts) geurteilt:

  1. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem tatsächlichen Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen.
  2. Wird eine solche Lieferung durch den inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer.

Das BVerfG hatte in einem ähnlichen Fall die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ausgesetzt, weil eine Verletzung von Art. 103 Abs. GG durch die angegriffenen Entscheidungen, insbesondere der Auslegung von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr 1 UStG, nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne (BVerfG, Beschluss v. 23.7.2009, 2 BvR 542/09, BFH/NV 2009, 1767).

Im Fall des BGH-Ersuchens an den EuGH hatte der 1. Strafsenat des BGH über die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des LG Mannheim zu entscheiden. Der Angeklagte, ein portugiesischer Staatsangehöriger, befand sich in dem gegen ihn geführten Strafverfahren in Untersuchungshaft. Der Angeklagte war Geschäftsführer einer GmbH in Deutschland. Das Unternehmen handelte mit hochwertigen Fahrzeugen. Seit 2001 verkaufte es weit über 500 Fahrzeuge pro Jahr. Käufer der Fahrzeuge waren zum größten Teil gewerblich tätige Fahrzeughändler, die in Portugal geschäftsansässig waren. Ab dem Jahr 2002 nahm der Angeklagte die nachfolgend geschilderten Manipulationen vor, um gewerblichen Fahrzeughändlern in Portugal die Hinterziehung portugiesischer Umsatzsteuer zu ermöglichen. Das war zum einen für ihn selbst wirtschaftlich vorteilhaft: Er konnte die Fahrzeuge zu einem Preis verkaufen, der bei rechtmäßiger Vorgehensweise am Markt nicht erzielbar gewesen wäre. Infolge dieses Wettbewerbsvorteils gegenüber steuerehrlichen deutschen Fahrzeughändlern erzielte er beträchtliche Gewinne. Zum anderen waren die Geschäfte auch für die Fahrzeughändler in Portugal wirtschaftlich vorteilhaft. Weil deren Eigenschaft als tatsächliche Käufer verschleiert wurde, konnten sie die Erwerbsbesteuerung in Portugal umgehen. So war es ihnen möglich, die Fahrzeuge ohne Anmeldung und Abführung portugiesischer Umsatzsteuer an Endverbraucher in Portugal weiterzuverkaufen. Ziel der Manipulationen war somit, weder in Deutschland noch in Portugal Umsatzsteuer zu bezahlen. Verkäufer und Käufer bereicherten sich also auf Kosten des Steuerfiskus.

Zu diesem Zweck entwickelte der Angeklagte ein aufwändiges Täuschungssystem, um die tatsächlichen Käufer der Fahrzeuge zu verschleiern: Er manipulierte sein Rechnungswesen durch Scheinrechnungen. Diese verschleierten die tatsächlichen Vertrags- und Lieferbeziehungen. Die Verkaufsrechnungen stellte er auf Scheinkäufer aus. Dabei enthielten die - in die Buchhaltung der GmbH aufgenommenen Rechnungen - jeweils die Firma des Scheinkäufers als Rechnungsadressat, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die Bezeichnung des - tatsächlich an einen anderen Erwerber gelieferten - Fahrzeugs, den Kaufpreis sowie den Zusatz "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG". Dadurch sollte der Eindruck erweckt werden, dass der Scheinkäufer den Umsatz in Portugal der Erwerbsbesteuerung unterwerfen würde. Bei den Scheinkäufern handelte es sich um tatsächlich existierende Unternehmen in Portugal. Teilweise waren die S...

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