Sachverhalt

Bei dem litauischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Auslegung von Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Buchst. a und Art. 141 MwStSystRL bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft bzw. um die Frage der Zuordnung der Warenbewegung zu einer der Lieferungen im Reihengeschäft. Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob unter den Umständen des Ausgangsverfahrens eine in Mitgliedstaat A beginnende Lieferung durch einen Unternehmer A an einen Zwischenerwerber B in Mitgliedstaat B als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist, wenn vor der Lieferung durch A der Zwischenerwerber B (als Unternehmer in Mitgliedstaat B registriert) die Absicht äußert, den Liefergegenstand unmittelbar, vor dessen Beförderung aus Mitgliedstaat A, an einen Letzterwerber C in Mitgliedstaat C verkaufen zu wollen, für den der Liefergegenstand in den Mitgliedstaat C versandt wird. Weiter fragte das Gericht, ob es für die Zuordnung der Warenbewegung eine Rolle spielt, wenn der Liefergegenstand vor seinem Transport in Mitgliedstaat C auf Weisung von B bearbeitet wurde.

In dem Streitfall lieferte die Klägerin (A) in Litauen Tiefkühlfisch an einen in Estland ansässigen Zwischenerwerber (B, der mit estnischer USt-IdNr. auftrat), der die Ware seinerseits umgehend an Käufer C in dritten Mitgliedstaaten (auch D) veräußerte. B wies in seinen Rechnungen an die C auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (Art. 28c Teil E der 6. EG-Richtlinie) hin. Nach den Ausführungen des Vorlagegerichts wurde die Ware für Rechnung des B von in seinem Auftrag tätigen Speditionsfirmen befördert, die im Wege von Banküberweisungen von B bezahlt wurden. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die in Rede stehenden Gegenstände tatsächlich aus Litauen befördert und an die Käufer in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert wurden. Das Vorlagegericht führte aus, dass diese Käufer (Unternehmer in D, NL, DK und PL) die empfangenen Gegenstände verbuchten, den zuständigen Behörden die innergemeinschaftlichen Erwerbe (wohl eher die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in einem Dreiecksgeschäft) meldeten und die Gegenstände verkauften. Nach den Ausführungen des Vorlagegerichts erwarb B das Recht zur Veräußerung der Ware in Litauen und der Versand der Ware an einen Letzterbwerber C erfolgte im Auftrag des B. Die Verschaffung der Verfügungsmacht (Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über die Gegenstände zu verfügen) an C erfolgte nach dem Vorlagegericht in Litauen und zwar vor Beginn des Transports der Ware. Der Klägerin (A) waren diese Umstände nach den Ausführungen des Vorlagegerichts bekannt.

Die Klägerin (A) behandelte ihre Lieferungen an B als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Die litauische Finanzbehörde war der Auffassung, A habe an B ruhende Lieferungen erbracht, die zum Normalsatz zu versteuern seien, da B die Ware noch vor dem Beginn des Transports an C veräußert habe. Das Vorlagegericht hatte aber Bedenken, dass eine Steuerpflicht der Lieferung von A an B zu einer Doppelbesteuerung seitens B führen könnte, da dieser einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu besteuern habe.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL (Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung) nicht erfüllt sein können, wenn der zu liefernde Gegenstand nicht zum Erwerber befördert oder versandt wird, mit dessen innergemeinschaftlichen Erwerb die betreffende Lieferung einhergeht. Der EuGH verweist auf seine Rechtsprechung[1], dass bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft nur eine Lieferung als die warenbewegte Lieferung steuerfrei sein kann. Mit Bezug auf die Euro Tyre Rechtsprechung[2] bestätigt der EuGH, dass zur Klärung der Frage, welcher der Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser Würdigung ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt bei einem Reihengeschäft mit 3 Beteiligten die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung, d. h. die Zweitlieferung, vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann die Warenbewegung nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden. Insofern bestätigt der EuGH wiederum seine Rechtsprechung in der Sache VStR.[3] Im Fall zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, ist zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen diese Beförderung zuzuordnen ist, zu ermitteln, ob die Beförderung nach der Zweitlieferung stattfand. Dann wäre nur die Zweitlieferung als innergemeinschaftliche Lieferung einzustufen und ggf. nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL steuerfrei.

Bezogen auf den Streitfall hebt der EuGH auf den vorgetragenen Sachverhalt ab, dass die von B zugunsten des Endabnehmers ...

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