Sachverhalt

Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) hinsichtlich des Umfangs der steuerbefreiten Leistungen im Zahlungs- und Überweisungsverkehr. Nach der Richtlinienvorschrift befreien die Mitgliedstaaten Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen.

Die Klägerin ist das vertretungsberechtigte Mitglied einer britischen Organschaft. Zu dieser Gruppe gehört die D Ltd.

D erbringt Dienstleistungen für Zahnärzte. Die Zahnärzte schließen mit ihren Patienten Vereinbarungen, die eine monatliche Zahlung von Pauschalbeträgen vorsehen. D ist von den Zahnärzten mit der Einziehung dieser Pauschalbeträge beauftragt. Im Rahmen der Vereinbarung zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten wird daher die D zur Vornahme von Lastschriften auf den Konten der Patienten berechtigt.

D veranlasst die Lastschriften monatlich, indem es die Abbuchungsdaten elektronisch unmittelbar an ein automatisiertes Clearingsystem der Banken übermittelt. Die jeweilige Bank belastet bei Vorliegen der Voraussetzungen der Lastschrift das Konto der Patienten. Die Beträge werden dem Konto, das für D bei einer Bank geführt wird, über das automatisierte Clearingsystem gutgeschrieben.

Soweit von Patienten auf diese Weise keine Zahlungen eingegangen sind, kümmert sich D um die Erfüllung der Forderungen durch unmittelbare Kontaktaufnahme mit den Patienten.

Die eingegangenen Zahlungen der Patienten leitet D nach Abzug einer Vergütung an die Zahnärzte weiter.

Zwischen der britischen Steuerverwaltung und D war im Wesentlichen umstritten, ob die von D durch den Zahlungseinzug an die Zahnärzte bewirkten Leistungen als "Umsätze ... im Zahlungs- und Überweisungsverkehr" gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie zu befreien sind.

 

Entscheidung

Der EuGH hat gegen die Sichtweise der EU-Kommission entschieden, dass die Dienstleistungen nicht unter die Steuerbefreiung fallen. Denn sie stellen eine "Einziehung von Forderungen" im Sinne der Vorschrift dar und sind daher von der Steuerbefreiung ausgenommen (Rn. 29 ff. des Urteils). Nach dem Urteil handelt es sich bei den Leistungen von D, insgesamt betrachtet, um einen einheitlichen Umsatz und nicht um eine Vielzahl von Hauptleistungen. Mit Bezug auf sein Urteil v. 26.6.2003, C-305/01 (MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring) stellt der EuGH fest, im Vorlagefall handele es sich deshalb um eine Einziehung von Forderungen, weil sich dieser Begriff auf Transaktionen beziehe, die die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken. Die Tätigkeit der D entspreche dem, weil Zweck ihrer Dienstleistung sei, den Zahnärzten die Geldbeträge zukommen zu lassen, die ihnen von ihren Patienten geschuldet werden. Durch diese Dienstleistung solle die Erfüllung von Schulden erwirkt werden. Durch die Übernahme der Betreibung von Forderungen für Rechnung ihrer Inhaber nehme D ihren Kunden (den Zahnärzten) Aufgaben ab, die diese als Gläubiger, wenn D nicht tätig würde, selbst erledigen müssten. Entgegen dem Vorbringen der EU-Kommission ist es unerheblich, dass die Dienstleistung bei Eintritt der Fälligkeit der betreffenden Schulden erbracht wird. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 am Ende der 6. EG-Richtlinie - so der EuGH - bezieht sich nach seinem Wortlaut auf die Einziehung von Forderungen jeder Art, ohne seinen Anwendungsbereich auf Forderungen zu beschränken, die bei Eintritt der Fälligkeit nicht beglichen wurden. Außerdem ist das Factoring, das in all seinen Formen vom Begriff der "Einziehung von Forderungen" umfasst ist, nicht auf Forderungen beschränkt, hinsichtlich derer sich der Schuldner bereits mit der Zahlung in Rückstand befindet. Es kann auch Forderungen zum Gegenstand haben, die noch nicht fällig sind und die bei Fälligkeit befriedigt werden. Auch ist es nach dem Urteil unerheblich, dass die Dienstleistung nicht Zwangsmaßnahmen zum Zweck der Befriedigung der Schulden vorsieht.

Allerdings lässt es der EuGH in seiner Begründung für das Vorliegen eines Forderungseinzugs trotz der an sich ausreichenden Feststellungen nicht dahingestellt sein, ob die Steuerbefreiung ansonsten Anwendung fände. So konstatiert er, dass die fragliche Tätigkeit, die er als Verwaltung von Forderungen für Rechnung des Forderungsinhabers beschreibt, einen Umsatz im Zahlungsverkehr darstellt (Rn. 28).

Diese Feststellung ist aus zwei Gründen überraschend: Zum einen, weil es näher gelegen hätte, die Beitreibung von Forderungen als "Geschäft mit Forderungen" im Sinne der Befreiung zu sehen, da sich hierauf die Ausnahme der Einziehung von Forderungen sprachlich bezieht. Zum anderen bleibt der EuGH eine Begründung für dieses obiter dictum schuldig. Nach dem Zitat seiner bekannten und höchst umstrittenen Bedingung der Steuerbefreiung, wonach di...

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