Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um eine Frage, die bei dem EuGH-Urteil vom 26.6.2003, C-442/01 (KapHag Renditefonds 35 Spreecenter Berlin-Hellersdorf 3. Tranche GbR) unbeantwortet geblieben war, nämlich, ob ungeachtet der Nichtsteuerbarkeit einer Ausgabe von Gesellschaftsanteilen der Vorsteuerabzug für die damit in Zusammenhang stehenden Eingangskosten möglich ist. Zwar war der vorliegende Fall (Aktienemission) nicht unbedingt vergleichbar mit dem Sachverhalt in der Rechtssache C-442/01 (Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft). Das Vorlagegericht stellte aber - anders als der BFH in der Rechtssache C-442/01 - dem EuGH die Frage, ob im Fall der Nichtsteuerbarkeit der Aktienemission dennoch der Vorsteuerabzug für die damit in Zusammenhang stehenden Kosten möglich ist.

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Neuausgabe von Aktien (Emission) durch eine Aktiengesellschaft an neue Aktionäre einen steuerbaren bzw. dann auch steuerfreien Umsatz i.S.v. Artikel 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie darstellt mit der Folge, dass bei einer eindeutigen Zurechenbarkeit der bei der Aktienemission entstandenen Kosten zu diesem steuerfreien Umsatz der Vorsteuerabzug auf die Kosten ausgeschlossen ist. Für den Fall, dass es sich um einen nicht steuerbaren Umsatz handelt, fragt das Vorlagegericht, ob der Vorsteuerabzug auf die Emissionskosten gleichwohl möglich ist, weil die Eingangsleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmens verwendet werden.

 

Entscheidung

Das Vorlagegericht neigte der Auffassung zu, dass die Aktienemission eine unternehmerische Tätigkeit i.S.v. Artikel 4 Abs. 2 und zugleich ein steuerfreier Umsatz i.S.v. Artikel 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie ist. Es war zudem der Auffassung, dass die Emissionskosten ausschließlich der Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung des Börsengangs dienten und diesem eindeutig zuzuordnen sind, was im Fall der Steuerfreiheit der Aktienemission den Vorsteuerabzug ausschließt. Die Emissionskosten könnten somit nicht als Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin angesehen werden.

Für den Fall, dass es sich um eine nicht steuerbare Leistung handelt, sprach das Vorlagegericht die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-442/01 an, wo unter Rdnr. 50 ausgeführt wird, dass im Fall der Nichtsteuerbarkeit der Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft die dafür entstandenen Kosten nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Das Vorlagegericht merkte an, dass der EuGH in seinem Urteil vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C-442/01 nicht darauf eingegangen ist, ob diese Interpretation des Generalanwalts zutreffend ist.

Der EuGH hat entschieden, dass der Vorsteuerabzug auch bezüglich der Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgabe neuer Aktien möglich sein kann. Entgegen der bisherigen deutschen Rechtsauffassung ist die Ausgabe neuer Aktien nicht als steuerfreier Umsatz anzusehen, der den Vorsteuerabzug für die im Zusammenhang mit der Aktienausgabe stehenden Aufwendungen ausschließen würde. Die Aktienausgabe ist nach der Entscheidung kein steuerbarer Umsatz. Insofern besteht Deckungsgleichheit mit der Entscheidung des Gerichtshofs zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Personengesellschaft. Auch dieser Vorgang ist nach dem Urteil vom 26.6.2003, C-441/02 (KapHag Renditefonds 35 Spreecenter Berlin-Hellersdorf 3. Tranche GbR) nicht umsatzsteuerbar.

Die Ausgabe neuer Aktien (das sind nach der Entscheidung Wertpapiere, die einen nichtkörperlichen Gegenstand repräsentieren) stellt keine Lieferung von Gegenständen iSv. Artikel 5 der 6. EG-Richtlinie dar. Auch eine Dienstleistung iSv. Artikel 6 der Richtlinie liegt nicht vor. Insoweit muss nach dem Urteil die Aktienausgabe genauso wie die Aufnahme eines Personengesellschafters gelten. Beide Vorgänge stellen für den EuGH lediglich Anstrengungen zur Aufbringung von Kapital dar. Eine AG die neue Aktien ausgibt, wolle ihr Vermögen durch die Beschaffung zusätzlichen Kapitals vergrößern, wobei sie jedoch den neuen Anteilseignern ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten Kapitals einräume. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus bestehe das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stelle die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage.

Der Leistungscharakter der Aktienausgabe wird vom EuGH also mit dem Argument bezweifelt, dass die Zeichnung der Aktien und die Zahlung ihres Nennbetrags für die neuen Aktionäre keine Zahlung eines Kaufpreises, sondern eine Investition sei. Es stimmt: Die Zahlung des Nennbetrags dient einer Investition in ein Unternehmen. Dennoch die dahinter stehende apodiktischen Aussage nur schwer nachvollziehbar, dass die Zahlung kein Kaufpreis sei. Vielmehr ist die Zahlung des Nennbetrags doch wohl beide...

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