Für die Übergabe ihrer Aktien muss der Hauptaktionär den Minderheitsaktionären eine Barabfindung gewähren.[1] Laut Gesetz muss die Barabfindung angemessen sein, jedoch werden weder durch die Rechtsprechung noch durch den Gesetzgeber genaue Berechnungsmethoden vorgegeben. Angestrebt werden sollte eine Summe, welche gleichwertig zum Beteiligungswert der Minderheitsaktionäre ist. Ziel des Gesetzgebers ist es folglich, den Minderheitsaktionären den Verlust ihres Aktieneigentums wirtschaftlich in seiner vollen Höhe zu kompensieren.

Zur Ermittlung der Barabfindung ist in der Regel eine Unternehmensbewertung erforderlich, mit deren Durchführung der Hauptaktionär eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragen kann. Die notwendigen Unterlagen und Auskünfte für die Unternehmensbewertung werden dem Hauptaktionär vom Vorstand der Zielgesellschaft vorgelegt.[2] Insbesondere notwendig ist die Bewertung im Rahmen des aktienrechtlichen und des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out nach §§ 327a f. AktG. Bei einem übernahmerechtlichen Squeeze-out ist nach § 39a WpÜG keine Unternehmensbewertung erforderlich, sie kann jedoch, insbesondere bei Nichtvorliegen einer Angemessenheitsvermutung, ebenfalls durchgeführt werden.

In der Squeeze-out-Praxis wird die Unternehmensbewertung vorrangig von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorgenommen.[3] Diese stützen ihre Bewertung auf die Vorgaben des vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) erarbeiteten Standards S 1. Das IDW schreibt zur Unternehmensbewertung die Anwendung des Ertragswertverfahrens und der Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) vor. Ergänzend soll, als Untergrenze des Unternehmenswertes, der Liquidationswert des Unternehmens herangezogen werden. Zu Plausibilisierungszwecken ist zusätzlich der Substanzwert, der Multiplikator oder der Börsenpreis zu betrachten.

Sowohl das Ertragswertverfahren als auch die international anerkannten DCF-Verfahren stellen in der deutschen Bewertungspraxis wichtige Instrumente dar. Von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wird jedoch traditionell die von der Rechtsprechung vorrangig anerkannte Ertragswertmethode, insbesondere bei Bewertungen mit gerichtlichem Hintergrund, bevorzugt.[4]

Der Börsenkurs findet jedoch bei Squeeze-outs eine viel stärkere Gewichtung, als ihm vom IDW beigemessen wird. Nach Beschluss des BVerfG vom 27.4.1999 ist es mit Art. 14 GG nicht vereinbar, wenn bei der Bestimmung der Abfindung für ausgeschiedene Aktionäre der Börsenkurs außer Betracht gelassen wird.

Der Börsenkurs entsteht durch die am Aktienmarkt herrschende Angebots- und Nachfragesituation. Er spielt insoweit eine wichtige Rolle, da er die gesamten Einschätzungen des Marktes und die Perspektiven des Unternehmens abbildet und damit als Orientierungsgröße für die Aktionäre bei ihren Investitionsentscheidungen dient. Da die Aktionäre wahrscheinlich nicht über alle relevanten Unternehmensinformationen verfügen, dient der Börsenkurs für sie als Maßstab zur Messung des Wertes ihres Aktienvermögens. Verlieren Minderheitsaktionäre durch den Ausschluss aus der Gesellschaft ihr Aktienvermögen, so bemessen sie den Verlust anhand des Verkehrswertes ihrer Aktien. Um den Verlust des in der Aktie verkörperten Anteilseigentums der Minderheitsaktionäre im Einklang mit Art. 14 GG "voll" zu kompensieren, darf die Barabfindung nicht unter dem Verkehrswert der Aktie liegen (vgl. BVerG, 1999).[5] Somit stellt der Börsenkurs in den meisten Fällen die Untergrenze der Barabfindung dar, solange er mit dem Verkehrswert der Aktie identisch ist.

Eine Ausnahme bei der Berücksichtigung des Börsenkurses als Untergrenze der Barabfindung gilt dann, wenn der Börsenkurs durch mehrere Einflussfaktoren, die eine effektive Informationsbewertung am Kapitalmarkt verhindern, nicht mehr als Indikator für den Wert des Unternehmens gesehen werden kann. Diese Situation könnte z. B. durch eine Manipulation von Börsenkursen oder eine hohe Marktenge entstehen, die im Folgenden beschrieben werden:[6]

Betrachtet man bspw. die Aktionärsstruktur vor der Durchführung von Squeeze-out-Maßnahmen, so befinden sich im Falle eines aktien- bzw. übernahmerechtlichen Squeeze-out mindestens 95 % der Aktien im Besitz des Hauptaktionärs. Lediglich ein Anteil von maximal 5 % kann auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden, wodurch sich eine erhebliche Marktenge ergibt. Die Entstehung des Börsenkurses anhand einer zuverlässigen Preisbildung sollte folglich hinterfragt werden. Kann zudem nachgewiesen werden, dass "längere Zeit praktisch kein Handel mit den Aktien der Gesellschaft stattgefunden hat",[7] ist die Annahme, der Börsenkurs entspräche dem Verkehrswert der Aktien, vernachlässigbar. Nach aktueller Rechtsprechung liegt praktisch kein Handel vor, wenn während der vorangegangenen 3 Monate vor dem Stichtag an weniger als ⅓ der Börsentage ein Handel stattgefunden hat und mehrere direkt nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5 % voneinander abgewichen sind.[8]

Weiterhin kann bei einem Besitz von 95 % der Aktien berechtigterweis...

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