1 Einführung

1.1 Ermittlung der gewerblichen Einkünfte eines Mitunternehmers mit Sonderbetriebsvermögen

 

Rz. 1

Die Ergebnisse einer gewerblichen Betätigung werden dem Unternehmer oder – auf der Grundlage des Transparenzprinzips[1] – dem Mitunternehmer als dem steuerlichen Träger des Unternehmens zugerechnet.[2] Dabei werden die Einkünfte des Mitunternehmers zweistufig ermittelt. Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft umfasst auf der 1. Stufe den Anteil am Gewinn der Gesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 1. Halbsatz EStG), den gesamthänderisch erwirtschafteten Teil der Mitunternehmereinkünfte, der sich aus der Steuerbilanz der Gesellschaft (einschließlich des Ergebnisses etwaiger Ergänzungsbilanzen) errechnet, und auf der 2. Stufe das Ergebnis etwaiger Sonderbilanzen, welche das Sonderbetriebsvermögen als Grundlage für die Ermittlung des auf der 2. Stufe außerhalb der Gesamthand erwirtschafteten Gewinns des einzelnen Mitunternehmers erfassen.[3] Die Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben umfassen den Aufwand und den Ertrag der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter des dem einzelnen Mitunternehmer gehörenden Sonderbetriebsvermögens sowie die Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG).[4]

 

Rz. 2

Jedenfalls müssen im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht nur die Anteile am Gewinn der Personengesellschaft, sondern auch Vergütungen, die ein Gesellschafter außerhalb der Gewinnverteilung für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG), berücksichtigt werden.[5] Folglich werden Vorweggewinne, die der Gesellschafter für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Personengesellschaft erhalten hat, genauso behandelt wie besondere schuldrechtliche Entgelte. Dies entspricht auch dem von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG verfolgten Zweck, nachdem die Besteuerung des Mitunternehmers an die des Einzelunternehmers angenähert werden soll.[6] Niederschlag findet dies unter anderem in der Behandlung des Unternehmerlohns.[7] Denn der Einzelunternehmer kann im Gegensatz zum Mitunternehmer seinen Unternehmerlohn nicht als Betriebsausgabe abziehen. Allerdings wird eine Gleichbehandlung dadurch erreicht, dass Tätigkeitsvergütungen, die von einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter gezahlt werden, zwar zunächst gewinnmindernd auf der 1. Stufe der Gewinnermittlung als betrieblicher Aufwand erfasst, aber auf der 2. Stufe der Gewinnermittlung dem Gesamtgewinn zugerechnet werden und damit letztlich weder den Gesamtgewinn noch den Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) der Mitunternehmerschaft mindern. Die in der Steuerbilanz der Gesellschaft passivierte Verbindlichkeit zur Zahlung einer Sondervergütung wird durch einen gleich hohen Aktivposten in der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafters ausgeglichen (sog. korrespondierende Bilanzierung).[8] Die Ermittlung des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft (Gewinnanteil und Sonderbilanzergebnis) erfolgt – bei Bestehen einer Buchführungspflicht – einheitlich durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG.[9]

 

Rz. 3

Zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehören nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur die im Gesamthandsvermögen der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter, sondern auch Wirtschaftsgüter, die zum zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum eines Gesellschafters gehören und entweder der Personengesellschaft unmittelbar – z. B. durch Nutzungsüberlassung – dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung an der Personengesellschaft eingesetzt werden (Sonderbetriebsvermögen II).[10] In der Praxis ist bei Sonderbetriebsvermögen I die Zugehörigkeit zum notwendigen Betriebsvermögen oft unstreitig, während die Frage, ob Wirtschaftsgüter des Gesellschafters seiner Beteiligung dienen und daher zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II gehören, ebenso oft kontrovers diskutiert wird.[11]

 

Rz. 4

Das Institut des Sonderbetriebsvermögens ist eine Rechtskonstruktion des BFH,[12] welche er aus dem Begriff des Betriebsvermögens im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG, zusätzlich aus § 6 Abs. 5 EStG und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG ableitet.[13] Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass das im Rahmen eines Betriebs eingesetzte Vermögen unabhängig von der zivilrechtlichen Eigentumsordnung in die steuerliche Gewinnermittlung einzubeziehen sei.[14]

[1] Auch die grundlegende Neuausrichtung des Personengesellschaftsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1.1.2024 führt nicht zu Änderungen der ertragsteuerlichen Grundsätze der Besteuerung von Personengesellschaften, sodass das Transparenzprinzip weiterhin unverändert Anwendung findet (vgl. BT-Drucks. 19/27635 S. 107).
[2] Vgl. ausführlich zum Transparenzprinzip Hennrichs, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Kapitel 10 Rz. 10.10 ff.
[3] Vgl. Richter/Anzinger/Tiedchen, in Herrmann/Heuer/R...

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