6.1 Unentgeltliche Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils

 

Rz. 30

Die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils ist in § 6 Abs. 3 EStG geregelt. Bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers sind die Wirtschaftsgüter in der Folge der Übertragung zwingend mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, d. h. mit den Buchwerten.

 

Rz. 31

Der Mitunternehmeranteil umfasst den Gesellschaftsanteil (vermögensmäßig den Anteil am Gesamthands-Gesellschaftsvermögen) und das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen.[1] Sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen – auch die im Sonderbetriebsvermögen – müssen übertragen werden.[2] Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG gehören nur die funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter. Erhebliche stille Reserven haben in diesem Zusammenhang keine Bedeutung.[3] In Anlehnung an die Rechtsprechung können nur solche Wirtschaftsgüter funktional wesentlich sein, die nach der Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind.[4] Wesentliche Grundlagen eines Betriebs sind jedenfalls diejenigen Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und denen ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung zukommt.[5] Bei einem Fabrikationsbetrieb wird regelmäßig das bewegliche Anlagevermögen, vor allem Maschinen und Produktionsanlagen, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gerechnet.[6] Für die Entscheidung, wann ein Wirtschaftsgut funktional wesentlich ist, ist auf die Verhältnisse beim Übertragenden abzustellen.[7]

 

Rz. 32

Wird bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten und in das Privatvermögen des Übertragenden überführt, kommt eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht in Betracht.[8] Es liegt eine tarifbegünstigte Aufgabe eines Mitunternehmeranteils vor. Die stillen Reserven im Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen sind aufzudecken.

 

Rz. 33

Sofern bei der Übertragung eines Mitunternehmeranteils funktional wesentliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens nicht mitübertragen, sondern nach § 6 Abs. 5 Sätze 1, 2 EStG zum Buchwert überführt oder nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragen werden, wendet die Finanzverwaltung mittlerweile die seitens des BFH in der jüngeren Vergangenheit ergangene Rechtsprechung vollumfänglich an. Somit steht es der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG auch nicht mehr entgegen, dass zeitgleich zur Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG eine Übertragung respektive eine Überführung von Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 EStG erfolgt.[9]

 
Praxis-Beispiel

Vater V war Kommanditist bei der X-KG, an die er ein Grundstück (wesentliche Betriebsgrundlage) vermietet hatte. V übertrug im Juli 2018 seinen gesamten Kommanditanteil unentgeltlich auf seinen Sohn S. Bereits im März 2018 hatte V das Grundstück nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zum Buchwert auf die von ihm neu gegründete gewerblich geprägte Y-GmbH & Co KG übertragen.

Die Voraussetzungen für eine Buchwertübertragung des Kommanditanteils nach § 6 Abs. 3 EStG liegen hier vor, auch wenn das Grundstück (wesentliche Betriebsgrundlage im Sonderbetriebsvermögen) zuvor nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG auf die Y-GmbH & Co KG ausgelagert und deshalb nicht ebenfalls an den Sohn übertragen wurde, weil nach den BFH-Urteilen v. 2.8.2012 IV R 41/11 und v. 12.5.2016, IV R 12/15 eine gleichzeitige Anwendung der Buchwertprivilegien des § 6 Abs. 3 EStG und des § 6 Abs. 5 EStG möglich ist.

[10]

Eine Ausnahme dieser zeitgleichen Übertragungsmöglichkeit besteht laut Auffassung der Finanzverwaltung allerdings dann, wenn diese zeitgleiche Übertragung bzw. Überführung nach § 6 Abs. 5 EStG dazu führt, dass im Anschluss keine funktionsfähige Einheit bezogen auf das sog. “Restbetriebsvermögen” mehr verbleibt. In diesen Fällen nimmt die Finanzverwaltung hinsichtlich des Restbetriebsvermögens eine Betriebszerschlagung an, die die Aufdeckung des im Restbetriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven in Form einer nicht nach § 16 Abs. 4 EStG, § 34 EStG steuerbegünstigten Betriebsaufgabe zur Folge hat.

Eine zeitgleiche und unter Aufdeckung der stillen Reserven erfolgende Entnahme sowie die zeitgleiche Veräußerung von funktional wesentlichem Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen zum gemeinen Wert sind nach Ansicht der Finanzverwaltung schädlich im Hinblick auf eine Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 EStG, sodass hier im Ergebnis eine nach § 16 Abs. 4 EStG, § 34 EStG steuerbegünstigten Betriebsaufgabe vorliegt.

[11] Sofern diese Entnahme respektive Veräußerung allerdings zeitlich vor der Übertragung erfolgt, kann der Mitunternehmeranteil – sofern das verbleibende Restbetriebsvermögen noch eine funktionsfähige betriebliche Einheit darstellt – buchwertprivilegiert übertragen werden.[12]

 

Rz. 34

Die bisherige von der Finanzverwaltung vertretene Gesamtplanrechtsprechung ist mit dem BMF-Schreiben v. 20.1...

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