Bisher wurde jeweils ein Wirtschaftsjahr betrachtet. Da der Fremdkapitalbedarf eines Unternehmens jedoch von Jahr zu Jahr durch Entnahmen gesteigert bzw. durch aus Einlagen oder Gewinnen stammende Tilgungszahlungen reduziert werden kann, schreibt § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG vor, dass zur Bestimmung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht nur die Überentnahme des laufenden Wirtschaftsjahres, sondern auch die Summe der Über- und Unterentnahmen früherer Wirtschaftsjahre zu ermitteln ist.

Eine Unterentnahme liegt vor, wenn die Summe aus dem Gewinn und den Einlagen eines Wirtschaftsjahres höher ist als die Summe der Entnahmen der gleichen Periode.

 
Praxis-Beispiel

Einbeziehung von Unterentnahmen früherer Jahre

A hat seinen Betrieb im Jahr 01 eröffnet. Im Eröffnungsjahr legte er 25.000 EUR in den Betrieb ein und erzielte einen Gewinn von 20.000 EUR. Entnahmen wurden i. H. v. 30.000 EUR getätigt. Im Folgejahr stieg der Gewinn auf 40.000 EUR, die Entnahmen betrugen wiederum 30.000 EUR. Im Jahr 03 sank der Gewinn auf 20.000 EUR, die Entnahmen blieben unverändert.

 
Gewinn 01 20.000 EUR  
+ Einlagen 01 25.000 EUR  
./. Entnahmen 01 30.000 EUR  
= Unterentnahme 01 15.000 EUR 15.000 EUR
     
Gewinn 02 40.000 EUR  
./. Entnahmen 02 30.000 EUR  
= Unterentnahme 02 10.000 EUR + 10.000 EUR
     
Gewinn 03 20.000 EUR  
./. Entnahmen 03 30.000 EUR  
= Überentnahme 03 10.000 EUR ./. 10.000 EUR
     
Saldo   15.000 EUR

Unabhängig davon, wie hoch die Schuldzinsen des A im Jahr 03 waren, sind sie in vollem Umfang als Betriebsausgaben abzugsfähig, da aufgrund des Polsters aus den Vorjahren im Jahr 03 in der Summe keine Überentnahme vorliegt. Hätte A im Jahr 03 dagegen mehr als 45.000 EUR entnommen, würde die Überentnahme des Jahres 03 die Unterentnahmen der Vorjahre aufzehren, sodass § 4 Abs. 4a EStG greifen würde.

Die Einbeziehung der Über- und Unterentnahmen aus früheren Jahren war in § 4 Abs. 4a EStG zunächst nicht geregelt, sondern wurde erst durch das Steueränderungsgesetz 2001 eingefügt. Dennoch sollte die Regelung nach ursprünglicher Ansicht der Finanzverwaltung ab 1999 angewendet werden. Entgegen der Verwaltungsauffassung hat der BFH[1] zunächst entschieden, dass Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1.1.1999 geendet haben, zumindest in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 zu berücksichtigen sind. In einer die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2008 betreffenden Entscheidung ist der BFH[2] zu dem Ergebnis gelangt, dass Über- und Unterentnahmen vor 1999 bei der Ermittlung des Entnahmeüberschusses unberücksichtigt bleiben. Daran anknüpfend ist auch das am 1.1.1999 vorhandene – positive oder negative – Eigenkapital bei der periodenübergreifenden Ermittlung von Über- und Unterentnahmen nicht zu berücksichtigen.[3]

Die Verrechnung von Unter- und Überentnahmen einzelner Wirtschaftsjahre hat das FG Rheinland-Pfalz[4] für den Fall, dass Überentnahmen aus Vorjahren die Unterentnahmen des laufenden Jahres übersteigen und somit den Schuldzinsenabzug beschränken, als rechtmäßig angesehen; die gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

Die Berücksichtigung von Über- und Unterentnahmen früherer Jahre zieht ein Problem nach sich: Werden diese Berechnungsgrundlagen nachträglich, insbesondere infolge von Betriebsprüfungen geändert, muss die gesamte Berechnung für den Schuldzinsenabzug entsprechend angepasst werden.

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