Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrechtliche Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung kann im Falle einer parallelen Zahlung durch die Familienkasse des öffentlichen Dienstes auch gemäß § 70 Abs. 2 EStG erfolgen.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.04.2017; Aktenzeichen III R 33/15)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die verfahrensrechtliche Befugnis der Beklagten zur Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung an den Kläger im Zeitraum November 1999 bis Dezember 2004.

Der Kläger ist seit Mai 1995 als Lehrkraft beim Land Schleswig-Holstein beschäftigt. Er war zunächst zeitlich befristet im Angestelltenverhältnis tätig und wurde mit Wirkung zum 1. November 1999 verbeamtet. Der Kläger ist verheiratet und Vater der am 1. Februar 1996 ehelich geborenen Tochter ... (nachfolgend A). Am 14./19. Februar 1996 beantragte er bei der Familienkasse des Arbeitsamtes Kindergeld für A. Die Ehefrau und Kindesmutter stimmte der Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger zu. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kopie des Antrages verwiesen. Die Familienkasse des Arbeitsamtes bewilligte antragsgemäß Kindergeld. Dabei ging sie aufgrund einer telefonischen Mitteilung der Gattin des Klägers, welche in einem Vermerk vom 22. Februar 1996 niedergelegt ist, davon aus, dass der Zeitvertrag des Klägers mit dem Land Schleswig-Holstein zum 31. März 1996 auslaufen würde. Tatsächlich wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers jedoch verlängert. Im Anschluss an seine Verbeamtung wurde ihm auch vom Landesbesoldungsamt (jetzt: Finanzverwaltungsamt) Kindergeld für A gezahlt. Die Zahlung erfolgte nach Aktenlage ohne Antrag des Klägers und ohne formelle Kindergeldfestsetzung. Sie wurde in den jeweiligen Gehaltsbescheinigungen aufgeführt. Auf den Inhalt der Erstbescheinigung vom 16. November 1999 wird verwiesen. Eine vom Kläger am 7. November 2000 beim Landesbesoldungsamt eingereichte Erklärung zum Familienzuschlag enthält unter der Rubrik Kinder folgende Angaben:

Vorname:

A

Kindschaftsverhältnis:

ehel.

Familienstand des Kindes:

ledig

Geburtsdatum:

01.02.1996

Kindergeld wird gezahlt an:

... [Kläger]

Die Familienkasse des Arbeitsamtes erlangte nach Aktenlage keine Kenntnis von der dauerhaften Anstellung und Verbeamtung des Klägers beim Land Schleswig-Holstein. Sie zahlte zunächst weiterhin Kindergeld für A, so dass der Kläger dieses ab November 1999 zweifach vereinnahmte. Durch eine Prüfung des Bundesrechnungshofes und einen von diesem initiierten Datenabgleich wurde die Doppelzahlung aufgedeckt und im August 2008 sowohl der Familienkasse des öffentlichen Dienstes als auch der Familienkasse der Arbeitsagentur zur Kenntnis gebracht. Die Familienkasse der Arbeitsagentur stellte daraufhin ihre Kindergeldzahlungen ab September 2008 bis zur weiteren Klärung des Sachverhalts ein. Mit Bescheid vom 15. August 2008 forderte die Familienkasse des öffentlichen Dienstes den Kläger zur Rückerstattung des überzahlten Kindergeldes auf. Hiergegen gewährte das erkennende Gericht auf Antrag des Klägers durch Beschluss vom 8. September 2009 1 V 47/09 Aussetzung der Vollziehung. Auf den Inhalt der Beschlussgründe wird Bezug genommen. Als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss ging die Familienkasse des öffentlichen Dienstes von ihrer sachlichen Unzuständigkeit aus und nahm den ergangenen Bescheid zurück. Das Aufhebungs- und Rückforderungsverfahren wurde sodann von der Familienkasse der Arbeitsagentur betrieben. Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2009 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A gemäß § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum von November 1999 bis August 2008 auf und forderte die Rückerstattung überzahlten Kindergeldes in Höhe von 15.888,84 €. Der Bescheid enthält u.a. folgende Begründung:

"Sie haben nicht angezeigt, dass Ihr Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis geändert wurde und damit die Zuständigkeit für die Kindergeldgewährung zur Familienkasse des öffentlichen Dienstes gewechselt hat. Die dortige Familienkasse hat die Kindergeldzahlung ab November 1999 aufgenommen, so dass das Kindergeld von November 1999 bis August 2008 doppelt gezahlt wurde. Unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und der Dauer der Doppelzahlung ist davon auszugehen, dass die Unterlassung der Mitwirkung bewusst erfolgte. Somit liegt eine Steuerhinterziehung vor. In diesem Fall beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre".

Der Kläger zahlte auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch für den Zeitraum Januar 2005 bis August 2008 insgesamt 6.776 €. Wegen der Kindergeldaufhebung und Rückforderung im Restzeitraum November 1999 bis Dezember 2004 erhob er am 27. November 2009 Einspruch, in dem er u.a. Verjährung einwandte: Im Streitfall gelte die 4jährige Regelfrist der Verjährung. Die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder gar Steuerhinterziehung...

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