Revision eingelegt (BFH III R 42/19)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein Kind, dass sich krankheitsbedingt nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht

 

Leitsatz (redaktionell)

Kindergeld ist auch für ein Kind, welches sich krankheitsbedingt nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen kann, zu gewähren.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, §§ 62-63

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 31.08.2021; Aktenzeichen III R 42/19)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A für die Monate März bis Dezember 2017 aufgehoben hat.

A ist die Tochter der Klägerin und wurde am xx.xx.xxxx geboren. Mit Bescheid vom 2. Juli 2016 hatte die Beklagte für A Kindergeld gemäߧ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz (EStG) festgesetzt, weil A sich für einen Fernlehrgang Realschulabschluss eingeschrieben hatte.

Am 27. November 2017 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass A den Fernlehrgang wegen Krankheit abgebrochen habe.

Im Rahmen der Anhörung zu einer möglichen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung legte die Klägerin unter anderem einen von der Klinik C unterschrieben Vordruck vor, wonach bei A eine schwere komplexe psychische Erkrankung gegeben sei. Zudem bescheinigte die Klinik C, dass A sich seit dem 6. November 2017 in stationärer Krankenhausbehandlung in der Klinik C befinde. Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass A den Lehrgang zum 28. Februar 2017 gekündigt hatte.

Daraufhin hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 6. Juni 2018 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von 1.920 € gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurück.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. A sei psychisch krank und nicht in der Lage, eine Ausbildung anzutreten.

Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Klinikums E vom 8. September 2015, ein ärztliches Attest der Klinik C vom 31. Januar 2018 und ein ärztliches Attest der Ärztin Dr. G vom 12. Juli 2018 vor.

Nach den ärztlichen Attesten befindet sich A seit dem 24. Mai 2017 in nervenärztlicher Behandlung bei Frau Dr. G. Vom 6. November 2017 bis zum 31. Januar 2018 befand sich A in stationärer Krankenhausbehandlung in der Klinik C. Gemäß Attest von Dr. G ist A aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen nicht in der Lage, eine berufliche Ausbildung zu absolvieren.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2018 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Berücksichtigung von A im Streitzeitraum als erkranktes Kind scheitere bereits daran, dass A unmittelbar nach Eintritt der Erkrankung, d.h. spätestens im März 2017, gegenüber der Beklagten hätte erklären müssen, dass sie nach der Genesung sich zum nächst möglichen Ausbildungsbeginn bewerben bzw. die Ausbildung fortführen werde.

Am 17. August 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: A habe krankheitsbedingt ihre Ausbildung abgebrochen. Im Jahr 2017 sei es ihr aufgrund der im Attest von Dr. G aufgeführten Diagnosen auch nicht möglich gewesen, eine Ausbildung zu beginnen. A habe im Übrigen gegenüber der Beklagten nunmehr auch eine Erklärung abgegeben, dass sie beabsichtige, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Wegfall der Hinderungsgründe/Krankheit eine Ausbildung zu beginnen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Zudem könne die nunmehr von A abgegebene Willenserklärung nur Wirkung für die Zukunft entfalten.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 6. Juni 2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. Zu Unrecht hat die Beklagte die bisherige Kindergeldfestsetzung für die Monate März bis Dezember 2017 gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben.

Nach § 70 Abs. 2 FGO ist die Festsetzung des Kindergeldes zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, und zwar mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn ein volljähriges Kind die besonderen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG nicht mehr erfüllt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Klägerin Kindergeld für ihre Tochter A gemäß §§ 62, 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG für den Streitzeitraum März 2017 bis Dezember 2017 zu.

a) Allerdings entfällt eine Berücksichtigung von A gemäߧ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Streitzeitraum, weil A nach...

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