Zunächst ist grundsätzlich zwischen Schätzung und Verprobung zu unterscheiden. Die Verprobung wird durchgeführt, um Besteuerungsgrundlagen, anders als dies der Steuerpflichtige getan hat, zu errechnen und dadurch die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen zu überprüfen. Ergibt die durch die Verprobung durchgeführte Kontrolle der vom Steuerpflichtigen ermittelten Besteuerungsgrundlagen, dass z. B. die Buchführung nicht ordnungsgemäß und daher zu verwerfen ist, kommt es im zweiten Schritt zur schätzweisen Ermittlung des Gewinns.

Gängige, in der Besteuerungspraxis häufig anzutreffende Schätzungsmethoden sind insbesondere

  • die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen auf der Basis der im Vorjahr maßgebenden Besteuerungsgrundlagen,
  • der Vergleich von betrieblichen Verhältnissen mit Daten anderer Betriebe in Form eines externen Betriebsvergleichs oder durch Anwendung von Richtsätzen aus den jährlich veröffentlichten Richtsatzsammlungen[1],
  • der innere Betriebsvergleich im Rahmen einer Nachkalkulation bzw. durch Durchführung eines Zeitreihenvergleichs[2] sowie eines Chi-Quadrat-Tests[3],
  • die Geldverkehrsrechnung, mit der ungeklärte Einnahmen aufgedeckt werden sollen[4],
  • die Vermögenszuwachsrechnung, bei der davon ausgegangen wird, dass sich Vermögensmehrungen nur aus der Summe der im gleichen Zeitraum versteuerten Einkünfte, aus steuerfreien Einnahmen oder einmaligen Vermögensanfällen ergeben haben
  • die griffweise Schätzung in Form eines (Un-)Sicherheitszuschlags, sofern sie schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig ist.[5] Insbesondere muss ein Sicherheitszuschlag zu den Einnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen.[6] Werden Stornierungen in Tagessummenbons (Z-Bons) nicht ausgewiesen, sondern allein die verbleibende Differenz, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Kassenführung, was das Finanzamt dazu berechtigt, Hinzuschätzungen vorzunehmen.[7]
  • die sog. 30/70 – Methode, die bei Speiserestaurants auf dem Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken basiert.[8]

    BFH-Verfahren zur Schätzung nach Richtsatzsammlung

    Der BFH hat Zweifel, ob eine Schätzung auf der Basis der Richtsatzsammlung auch weiterhin wie bisher erfolgen kann. Denn die Rechtsprechung hat sich bislang in keiner Entscheidung näher damit auseinandergesetzt, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze des BMF beruhen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergeben.[9]

    In Anbetracht der insbesondere für die steuerrechtliche, aber auch für die steuerstrafrechtliche Praxis erhebliche Bedeutung der Verprobung und Schätzung von Besteuerungsgrundlagen anhand der amtlichen Richtsatzsammlung hält der BFH es daher für sachgerecht, das BMF – auch mit Blick auf dessen Herausgeberschaft der Sammlung -an einem Revisionsverfahren zu beteiligen.[10] Für den BFH ist insbesondere unklar,

    • welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden;
    • ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insbesondere Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht;
    • weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen;
    • ob ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die auf eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden.

    Zudem stellt sich für den BFH die Frage, wie dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden kann, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung – insbesondere auch im Hinblick auf die spezifischen Daten, die dieser Sammlung zugrunde liegen – nachzuvollziehen und zu überprüfen.Das BMF muss nun zu der Frage Stellung nehmen, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist.

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