Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Betriebsausgabenabzugs für am 10. Januar des Folgejahres, einem Samstag oder Sonntag, fällige Umsatzsteuervorauszahlung bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gehören die Umsatzsteuervorauszahlungen zu den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG. Sind sie beim Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen, gelten sie daher als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als „kurze Zeit” gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen.

2. Ist der 10. Januar des Folgejahres als gesetzlicher Fälligkeitstermin für eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für einen Voranmeldungszeitraum des laufenden Jahres ein Samstag oder Sonntag, so ist im Wege teleologischer Reduktion die Norm des § 108 Abs. 3 AO im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG vorliegen, nicht anwendbar (Anschluss an Thüringer FG, Urteil v. 27.1.2016, 3 K 791/15). Wird diese Umsatzsteuervorauszahlung im Folgejahr noch vor dem 10. Januar überwiesen, darf sie bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG daher bereits im laufenden Wirtschaftsjahr als Betriebsausgabe abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 3; AO § 108 Abs. 3; UStG § 18 Abs. 1 Sätze 1, 4; UStDV § 46

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen X R 2/17)

BFH (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen X R 2/17)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf … herabgesetzt werden.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.d. zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine am 09.01.2015 gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2014 in Höhe von … EUR als Betriebsausgabe bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2014 zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin betreibt als Hairstylistin ein eigenes Geschäft und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Einkommensteuergesetz (EStG). Ihren Gewinn ermittelt sie durch Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Für die Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldungen sowie für die Entrichtung der Vorauszahlungen hat der Beklagte ihr eine einmonatige Fristverlängerung nach § 46 UStDV eingeräumt.

In ihrer Gewinnermittlung im Rahmen der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2014 behandelte die Klägerin die am 09.01.2015 für November 2014 entrichtete Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von … EUR als Betriebsausgabe dieses Jahres. Der Beklagte setzte mit geändertem Bescheid vom … den Gewinn der Klägerin aus dem Betrieb ihres Friseursalons ohne die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2014 als Betriebsausgabe fest, weil die Umsatzsteuervorauszahlung erst im Jahr 2015 als abgeflossen gelte. Der gegen den Feststellungsbescheid vom … am … erhobene Einspruch der Klägerin wurde mit Entscheidung des Beklagten vom … zurückgewiesen. In seinen Gründen führte der Beklagte aus, dass die Umsatzsteuer für November 2014 am 10.01.2015 noch nicht fällig gewesen sei, da sich nach … § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) die Zahlungsfrist bis zum folgenden Werktag verlängert habe.

Mit ihrer am 03.08.2016 erhobenen Klage rügt die Klägerin die Verletzung von § 11 EStG. Sie trägt vor, für § 11 EStG sei § 108 AO nicht von Bedeutung, denn § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG regele keine Frist, sondern schaffe lediglich eine gesetzlich normierte Zu- und Abflussfiktion. § 108 Abs. 3 AO hingegen diene lediglich der steuerbürgerentlastenden Praktikabilität bzw. der Fristenbewältigung allgemein und berühre die gesetzliche Frist nach § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG gar nicht. Insoweit bedürfe es auch keiner teleologischen Reduktion, wie vom Thüringer Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 27.01.2016 (Az.: 3 K 791/15) angenommen. Weder der Wortlaut des § 11 EStG, der allein auf den Zu- und Abfluss von Einnahmen und Ausgaben innerhalb kurzer Zeit vor oder nach dem Ende des Kalenderjahres abstelle, noch der Gesetzeszweck rechtfertigten die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf … EUR herabgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, im Streitfall sei aufgrund der Dauerfristverlängerung nach § 46 UStDV die Umsatzsteuerv...

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