Die voraussichtliche Restlaufzeit einer Rückstellung ist nach IDW RS HFA 34.36 der Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme. Diese steht entweder fest oder ist nach den Umständen des Einzelfalls zu schätzen. Bei Rückstellungen kann der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer in Anspruch genommen wird, unsicher sein. Diese Ungewissheit gehört zum Wesen einer Rückstellung.

Gemäß § 253 Abs. 2 HGB sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre entsprechend ihrer Restlaufzeit abzuzinsen. Die entsprechenden Zinssätze werden nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) von der Deutschen Bundesbank mit 2 Nachkommastellen ermittelt und auf der Homepage der Deutschen Bundesbank bekannt gemacht.

 
Praxis-Beispiel

Bestimmung des Abzinsungssatzes

Unternehmer Huber muss zum 31.12.01 für mögliche Gerichts- und Anwaltskosten aufgrund eines anstehenden Gerichtsverfahrens eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Er schätzt den nominellen Verpflichtungsbetrag auf 5.000 EUR. Mit einem Urteil ist im Mitte März 03 zu rechnen.

Der durch die Deutschen Bundesbank veröffentlichte Marktzins für eine Restlaufzeit von einem bzw. 2 Jahren beträgt annahmegemäß 1,1 % bzw. 1,4 %.

Lösung:

Da die Verpflichtung zum 31.12.01 eine voraussichtliche Restlaufzeit von 1,5 Jahren bzw. 18 Monaten hat, muss der nominelle Verpflichtungsbetrag abgezinst werden.

Dazu muss Unternehmer Huber den Abzinsungssatz für die Restlaufzeit von 1,5 Jahren bestimmen. Da einerseits die Restlaufzeit keine ganzjährige Laufzeit ist und andererseits die Deutsche Bundesbank nur Ganzjahreszinssätze zur Verfügung stellt, ermittelt Unternehmer Huber den Zinssatz durch lineare Interpolation. Dazu berechnet Herr Huber den Zinssatz für die Restlaufzeit bis Mitte März 03 auf Basis der Abzinsungssätze für die Restlaufzeit von 12 Monaten und 2 Jahren wie folgt:

Abzinsungssatz = 1,1 % + ((1,4 – 1,1 = 0,3) × (75/360)) = 1,1 % + 0,0625 = 1,1625 %

Erfüllungsbetrag zum 31.12.01: 5.000 × (1 + 0,011625)-1,5 = 5.000 × 0,9828 = 4914 EUR (Diskontierungsfaktor gerundet)

Neben der Ermittlung des restlaufzeitadäquaten Zinssatzes im Wege der Interpolation lässt IDW RS HFA 34.42 auch die Verwendung des dem Erfüllungszeitpunkt am nächsten liegenden Jahreszinssatzes oder des nächstkürzeren Jahreszinssatzes zu.[1]

 
Praxis-Beispiel

Wertermittlung einer Ansammlungsrückstellung nach Handelsrecht

Ein Unternehmer hat zum 1.1.01 eine Lagerhalle auf einem fremden Grundstück errichtet. Er hat sich verpflichtet, das Grundstück nach 10 Jahren (31.12.10) in seinem ursprünglichen Zustand zurückzugeben. Somit muss er die Halle zu diesem Zeitpunkt abreißen. Die Abbruch- und Entsorgungskosten betragen zum Bilanzstichtag 31.12.01 schätzungsweise 10.000 EUR .

Handelsrechtlich ist vom Verpflichtungsbetrag auszugehen, der in 9 Jahren bzw. zum 31.12.10 zu zahlen ist. Der Unternehmer geht von einer jährlichen Preis- und Kostensteigerung von 2 % aus, sodass sich folgender Betrag ergibt:

 
Verpflichtungsbetrag nach Preisverhältnissen zum 31.12.01 (Bilanzstichtag) 10.000,00 EUR
Erhöhung wegen Preis- und Kostensteigerung bis zum 31.12.10 (9 Jahre)  
- Aufzinsungsfaktor bei 2 % Preissteigerung p. a.: (1 + 0,02)9 = 1,195092569  
- Verpflichtungsbetrag nach Preisverhältnissen zum 31.12.10 (10.000 EUR × 1.195092569 =) 11.950,93 EUR

Die Bildung der Entfernungsverpflichtung erfolgt als sog. unechte Ansammlungsrückstellung bzw. Verteilungsrückstellung. D. h. der Verpflichtungsbetrag wird über die Laufzeit angesammelt, da eine wirtschaftliche Entstehung über die gesamte Laufzeit unterstellt wird.

Auf das Geschäftsjahr 01 entfällt von der 10-jährigen Laufzeit 1 Jahr, sodass 1/10 des Verpflichtungsbetrags i. H. v. 11.950,93 EUR anzusetzen ist. Das entspricht einem Betrag von 1.195,09 EUR. Die Rückstellung wird dann Jahr für Jahr aufgestockt, sodass bis zum Termin, zu dem der Abriss vorgenommen werden muss, der volle Betrag (100 %) erreicht ist.

Wegen der Laufzeit von mehr als einem Jahr ist eine Abzinsung vorzunehmen. Der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Marktzins für eine Restlaufzeit von 8 bzw. 9 Jahren beträgt annahmegemäß 3,3 % bzw. 3,4 %.

Den Diskontierungsfaktor berechnet der Unternehmer nach folgender Formel:

Diskontierungsfaktor = 1/(1 + i)t , wobei t = Restlaufzeit und i= laufzeitadäquater Zinssatz

Die Verbuchung der Rückstellung soll nach der Nettomethode (siehe hierzu auch unten) erfolgen. Dementsprechend ermittelt der Unternehmer die Rückstellung für die Geschäftsjahre 01 und 02 an den einzelnen Bilanzstichtagen wie folgt:

 
Zeitpunkt Abgelaufene Laufzeit (Jahre) Verteilungszeit Restlaufzeit (Jahre) Nomineller Verpflichtungsbetrag Jährlich anteiliger nomineller Verpflichtungsbetrag Angesammelter Verpflichtungsbetrag (= unabgezinster Rückstellungsbetrag)
  a b c = b – a d e = d / b f = a × e
1.1.01 0 10 10 11.950,93 0 0
31.12.01 1 10 9 11.950,93 1.195,09 1.195,09
3...

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