4.1 Rückstellungen in der Handelsbilanz (Grundsätze)

In § 249 HGB ist abschließend bestimmt, für welche Zwecke eine Rückstellung zu bilden ist. Bei Vorliegen der Tatbestände des § 249 HGB muss nach Handelsrecht zum nächsten Bilanzstichtag eine Rückstellung gebildet werden. Es besteht kein Wahlrecht.

Danach müssen Rückstellungen gebildet werden für

  • ungewisse Verbindlichkeiten,[1]
  • drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,[2]
  • unterlassene Aufwendungen für Instandhaltungen, welche im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten nachgeholt werden,[3]
  • Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird,[4]
  • Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.[5]

Andere Rückstellungen dürfen handelsrechtlich nicht mehr gebildet werden. Die in § 249 HGB genannten Rückstellungsgründe lassen sich danach unterscheiden, ob ihnen eine Außenverpflichtung zugrunde liegt oder ob sie allein zur Vorwegnahme zukünftiger Aufwände gebildet werden dürfen (sog. Aufwandsrückstellungen, siehe unten).

4.2 Rückstellungen aufgrund von Außenverpflichtungen

4.2.1 Verbindlichkeitsrückstellungen

Eine wesentliche Rückstellungskategorie sind die Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (bzw. Verbindlichkeitsrückstellungen), die ihre Ursache im Vorsichtsprinzip haben. Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, wodurch Vergangenes abgegolten wird. Dementsprechend ist eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden, wenn

  • es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt,
  • die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist,
  • mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist und
  • die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für einen Vermögensgegenstand führen.[1]

Die Verpflichtung muss den Verpflichteten wirtschaftlich wesentlich belasten. Die Frage, ob eine Verpflichtung den Unternehmer wesentlich belastet, ist nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu beurteilen.

[1] Vgl. Schubert, in Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB, Rz. 24.

4.2.2 Rückstellungen für drohende Verluste

Schwebende Geschäfte wirken sich auf die Buchführung normalerweise erst aus, wenn der Schwebezustand beendet wird, weil die Leistung teilweise oder ganz erbracht wird. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte liegt jedoch dann vor, wenn einem bilanzierenden Kaufmann am Bilanzstichtag aus einem schwebenden Geschäft (mit einem Dritten) ein Verlust droht. D. h., aus seiner Sicht übersteigt der Wert seiner Verpflichtung den Wert der Gegenleistung (Verpflichtungsüberschuss).

Für den entstehenden Verpflichtungsüberschuss aus einem schwebenden Geschäft ist gemäß § 249 Abs. 1 HGB eine Rückstellung für drohende Verluste zu bilden (Passivierungspflicht). Die Verpflichtung muss sich also aus einem Geschäft ergeben,

  • das der Unternehmer mit einem oder mehreren Vertragspartnern abgeschlossen hat und
  • bei dem er verpflichtet ist, den Vertrag vereinbarungsgemäß zu erfüllen, sodass
  • er sich dem Verlust nicht entziehen kann.

Dabei können sich drohende Verluste sowohl aus einem schwebenden Vertrag zur Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ergeben (sog. Beschaffungsgeschäfte) als auch aus Geschäften zur Veräußerung von Gütern und Dienstleistungen (sog. Absatzgeschäfte).

4.3 Aufwandsrückstellungen

Aufwandsrückstellungen liegen keine Außenverpflichtungen gegenüber einem Dritten zugrunde, sondern sie dienen der Erfassung zukünftiger Aufwendungen in der aktuellen Periode. Aufwandsrückstellungen dürfen nur für die in § 249 HGB zugelassenen Fälle – unterlassene Instandhaltungen und Abraumbeseitigungen – gebildet werden und müssen gebildet werden, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 249 HGB erfüllt sind.

4.3.1 Unterlassene Instandhaltungen

Instandhaltungen sind unterlassen, wenn (wiederkehrende) Erhaltungsarbeiten, die bis zum Bilanzstichtag erforderlich gewesen wären, tatsächlich nicht durchgeführt wurden. Eine Rückstellung ist zu bilden für solche unterlassenen Instandhaltungsmaßnahmen, die im nachfolgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten nachgeholt werden. D. h. auch, dass für unterlassene Instandhaltungen, die im Folgejahr zwischen dem 4. und 12. Monat nachgeholt werden, keine Rückstellung gebildet werden darf.

 
Praxis-Beispiel

Buchung einer Rückstellung für unterlassene Instandhaltungen

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