Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Es handelt sich hierbei um eine ungewisse Verbindlichkeit, die als Sachleistungsverpflichtung einzustufen ist. Die handelsrechtliche Bewertung erfolgt auf Grundlage des § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB. Danach sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen. Bei Sachleistungsverpflichtungen bemisst sich der Erfüllungsbetrag nach dem Wertverzehr für das Bewirken der geschuldeten Leistung.

Das sind die der Erfüllungshandlung direkt oder im Weg einer Schlüsselung zurechenbaren Vollkosten.[1]

Auch nach ständiger Rechtsprechung des BFH[2] sind bei der Bemessung der Höhe derartiger Rückstellungen die gesamten Kosten, also sowohl die Einzelkosten als auch die Gemeinkosten, zu berücksichtigen. Es handelt sich also um eine Berechnung nach der Vollkostenmethode.

In die Einzel- und Gemeinkostenberechnung einer Sachleistung sind auch die Fixkosten einzubeziehen. Kalkulatorische Kosten und Unternehmergewinn dürfen jedoch nicht einberechnet werden. Der Ansatz der Vollkosten einschl. Fixkosten gilt auch, wenn der Kaufmann die Verbindlichkeit mit eigenem Personal erfüllt. Anzusetzen sind die Vollkosten des einzusetzenden Personals, also fixe und variable Kosten und die vollen Gemeinkosten; dem Kaufmann steht insoweit kein Wahlrecht zu.[3]

Im Beispielsfall sind somit folgende Kosten bei der handelsrechtlichen Rückstellungsbildung zu berücksichtigen:

 
Rückstellungsberechnung   EUR

Raumkosten

Unterhaltskosten (5/12 von 6.000)
  2.500
Anteilige Gebäudeabschreibung (5/12 von 3.600)   1.500
IT-Unterstützung    
Anpassung des Benutzerprofils   1.000
Betreuungsaufwand   1.500
Bereitstellung des EDV-Systems 100.000  
  • Benutzer
180  
  • Kosten pro Benutzer
556  
  • davon 5/12
  231
Steuerberatungskosten    
Zusatzaufwand   4.000
Kosten der Buchhaltung    
  • Stundensatz
30,00  
  • ArbGAnteil SozVers
5,40  
  • Summe Einzelkosten
35,40  
  • zusätzlicher Aufwand (15 %)
7,08  
  • Stundensatz gesamt
42,48  
  • Stunden
300 12.744
Summe   23.475

Die Raumkosten sind zeitanteilig aufzuteilen. Da die Vorprüfung 5 Monate gedauert hat und von einer ähnlichen Prüfungsdauer auch bei der neuen Prüfung ausgegangen wird, ist der Rückstellungsberechnung ein Betrag von 5/12 des Jahresbetrags zugrunde zu legen. Dieses gilt sowohl für die Unterhaltskosten als auch für die Abschreibung.

Der Zusatzaufwand für den Steuerberater für die Betreuung der Betriebsprüfung aber auch für Besprechungen wg. Abstimmungsbedarf mit Firmenleitung oder Buchhaltung ist ebenfalls rückstellungsfähig. Für den Bereich der Buchhaltung sind neben den Bruttolöhnen auch sämtliche Lohngemeinkosten einzubeziehen. Dazu gehören auch anteilige Jahreszusatzzahlungen, wie z. B. Weihnachtsgeld oder Gratifikationen. Berücksichtigungsfähig wären auch anteilige Kosten eines angestellten Geschäftsführers, nicht jedoch der Zeitaufwand eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Personengesellschaft bzw. eines Einzelunternehmers.

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der notwendige Erfüllungsbetrag zugrunde zu legen. Damit sind Preissteigerungen zwischen dem Bilanzstichtag bis zum Anfall der Kosten zu berücksichtigen. Dabei sind die Trends der Vergangenheit zu berücksichtigen, allerdings nur soweit Kostensteigerungen vom Bilanzierenden nicht beeinflusst werden können und denen er sich somit nicht entziehen kann.[4]

Somit muss der notwendige Erfüllungsbetrag nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geschätzt werden. Die bewusste Über- oder Unterbewertung von Rückstellungen ist unzulässig. Das bedeutet, dass die zu berücksichtigende Kostensteigerung anhand von objektiven Kriterien wahrscheinlich sein muss. Damit ist im Beispielsfall die Kostensteigerung von 12 % zu berücksichtigen.

 
    EUR
Kostensteigerung 12 % 2.817
Rückstellungsbetrag vorläufig   26.292

Schließlich muss der Betrag abgezinst werden (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Da die Restlaufzeit der Rückstellung mehr als 1 Jahr beträgt, ist diese mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre abzuzinsen. Allerdings ist durch § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht eindeutig geklärt, wie Sachleistungsverpflichtungen abzuzinsen sind, die über einen längeren Zeitraum hinweg erfüllt werden. Eine Abzinsung auf jeden Teilerfüllungszeitpunkt dürfte kaum praktikabel sein. Es bietet sich an, einen einheitlichen Diskontierungszinssatz durch Bestimmung einer einheitlichen Restlaufzeit anzusetzen. Hierbei könnte es sich z. B. um den Zeitpunkt zum Beginn der Erfüllungspflicht, entsprechend der steuerlichen Regelung, oder einen Mittelwert handeln.

Den Zeitpunkt zum Beginn der Erfüllungspflicht anzusetzen, wird handelsrechtlich als nicht zulässig angesehen.[5] Aus Vereinfachungsgründen soll im Beispiel der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung plus halbe Erfüllungsdauer zugrunde gelegt werden. Da der Prüfungsbeginn für Juli 12 (in 2 Jahren 6 Monaten), das Ende für November 12 (in 2 Jahren 11 ...

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