Eine Rückstellung ist nach IAS 37.14 nur dann zu bilden, wenn

  • ein Unternehmen eine rechtliche oder faktische Verpflichtung gegenüber Außenstehenden hat,
  • und zwar aus einem vergangenen Ereignis und
  • die Erfüllung dieser Verpflichtung zum Abfluss von Ressourcen führt sowie
  • eine zuverlässige Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.

Die geforderte Verpflichtung kann rechtlicher oder faktischer Art sein, gegenüber bestimmten Personen oder einem unbestimmten Personenkreis (z. B. Öffentlichkeit) bestehen, nicht jedoch gegenüber dem Unternehmen selbst. Ausgeschlossen sind damit Rückstellungen für Innenverpflichtungen, wie sie § 249 Abs. 1 HGB für unterlassene Instandhaltungen zulässt.

 

Beispiel

Die Power Car GmbH betreibt in der Nähe von Bergheim eine Tuning-Werkstatt.

  • Für eingebaute Teile übernimmt sie eine Garantie von sechs Monaten. Für die Beseitigung zwischen dem siebten und zwölften Monat auftretender Mängel stellt sie in der Regel aus Kulanzgründen nur das Material in Rechnung.
  • In einem der Nebengebäude der Werkstatt ist das Dach seit Kurzem undicht. Es soll im ersten Quartal des Folgejahres instand gesetzt werden.
  • Die Power Car GmbH hat an der alle drei Jahre stattfindenden Tuner-Messe "Nur Fliegen ist schöner" teilgenommen. Sie hat die Absicht, in drei Jahren wieder an der Messe teilzunehmen, da es andere für sie attraktive Messeangebote nicht gibt.
  • Ein nicht mehr genutzter Teil des Grundstücks ist altölverseucht. Es besteht eine grundsätzliche Verpflichtung zur Altlastensanierung, jedoch ohne Fristen und Sanktionen.

Beurteilung nach IFRS und HGB

  • Für die Reparaturen außerhalb der Garantiefrist besteht keine rechtliche Verpflichtung. Unter den Kunden ist jedoch hinlänglich bekannt, dass für Reparaturen zwischen dem siebten und zwölften Monat keine Lohnkosten berechnet werden. Diese Erwartungshaltung führt zu einer faktischen Verpflichtung. Eine Kulanzrückstellung ist nach IFRS und HGB zu bilden.
  • Die unterlassene Instandhaltung des undichten Daches betrifft keine Außenverpflichtung. Es handelt sich um einen internen Aufwandsposten, der in der HGB-Bilanz wegen der Sondervorschrift des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB rückstellungspflichtig ist. In der IFRS-Bilanz sind Aufwandsrückstellungen nicht zu berücksichtigen.
  • Die Tuner-Messe führt alle drei Jahre zu Aufwendungen, die jedoch nicht durch Bildung einer Rückstellung zeitlich verteilt werden konnten. Nach HGB und IFRS ist der Ansatz einer solchen Aufwandsrückstellung unzulässig.
  • Für die Kosten der Altlastensanierung ist nach IFRS und HGB (mangels konkreter zeitlicher Vorgaben jedoch nicht in der Steuerbilanz) grundsätzlich eine Rückstellung zu bilden, da eine gesetzliche Verpflichtung besteht. Allerdings kann die konkrete Passivierung daran scheitern, dass der Rückstellungsbetrag – auch wegen des unbestimmten Abzinsungszeitraums – nicht verlässlich bestimmbar ist.

Eine faktische oder rechtliche Verpflichtung führt nach IAS 37 nur dann zu einer Rückstellung, wenn die Verpflichtung aus vergangenen Ereignissen resultiert und unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ist (Unentziehbarkeit). Nicht rückstellungsfähig sind hingegen Aufwendungen, die anfallen, um künftig weiterhin unternehmerisch tätig zu sein.

 

Beispiel

Die Power Car GmbH ist bei den lokalen Behörden und in der örtlichen Presse in die Kritik geraten. Moniert werden vor allem Lärmemissionen, daneben Bodenverunreinigungen. Eine gesetzliche Pflicht zur Sanierung des Bodens besteht nicht. Die Power Car GmbH geht jedoch in die Image-Offensive und erklärt in einer Pressekonferenz ihre Absicht, im Folgejahr ein Eine-Million-Programm zur Bodendekontaminierung durchzuführen. Die Aufsichtsbehörde nimmt dies wohlwollend zur Kenntnis, erlässt darüber hinaus eine Verfügung, wonach der Gewerbebetrieb am vorhandenen Ort in zwei Jahren einzustellen ist, sofern bis dahin nicht umfangreiche Lärmschutzvorrichtungen (Volumen von 2 Mio. EUR) eingebaut sind.

Die Kontaminierung des Bodens hat ihre Ursache in der Vergangenheit und ist somit grundsätzlich rückstellungsfähig. Mangels gesetzlicher Verpflichtung kommt nur eine faktische Verpflichtung infrage. Sie könnte sich daraus ergeben, dass das Unternehmen entsprechende Absichten veröffentlicht hat. Hat die Power Car GmbH in der Vergangenheit bereits dargetan, dass sie eine veröffentlichte Politik auch einhält, entsteht durch die Pressekonferenz eine faktische Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit, die zu einer Rückstellung führt. Gibt das bisherige Geschäftsgebaren des Unternehmens zu größeren Zweifeln Anlass, ob es die veröffentlichte Politik auch einhält, muss von einer Rückstellung abgesehen werden.

Der Einbau der Lärmschutzvorrichtungen ist durch die behördliche Verfügung als rechtliche Verpflichtung konkretisiert. Es besteht jedoch kein Zusammenhang mit einem vergangenen Ereignis. Die Verpflichtung entsteht nur dann, wenn das Unternehmen den mit Lärm verbundenen Teil seiner Geschäftstätigkeit über den Stichtag der Verfügung hinaus am ge...

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