Leitsatz

1. Die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands – hier für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen – setzt u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist. Bei einem Versicherungsmakler kommt als möglicher Rechtsgrund hierfür der Maklervertrag in Betracht.

2. Einen für einen Versicherungsmakler tätigen Handelsvertreter, der nicht selbst Vertragspartner der Maklerverträge wird, trifft aus diesen Maklerverträgen keine solche Nachbetreuungsverpflichtung.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b und Buchst. e EStG, § 84, § 92 Abs. 1, § 93 HGB, § 675 BGB, § 42a VVG 2007, § 59 VVG 2008, § 34d GewO, § 162 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger vermittelt für eine AG Versicherungsverträge sowie Geldanlagen, Darlehen und Beteiligungen. Er erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelte er bis einschließlich 2004 durch Überschussrechnung, ab 2005 durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Bilanz zum 31.12.2005 bildete er eine sonstige Rückstellung in Höhe von 360.946,92 EUR und wies in der Gewinn- und Verlustrechnung einen "sonstigen Personalaufwand" in Höhe von 350.763,92 EUR aus. Im Streitjahr war allein seine Ehefrau, die Klägerin, in seinem Unternehmen beschäftigt. Er erklärte für 2005 einen laufenden Verlust von 218.563 EUR ­sowie einen Übergangsgewinn in Höhe von 33.115 EUR. Das FA erkannte die Rückstellung in dieser Höhe nicht an.

Mit ihrer teilweise erfolgreichen Klage begehrten die Kläger die Bildung einer Rückstellung in Höhe von 150.000 EUR für die Betreuung der Kranken- und Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.1.2010, 8 K 15222/07, Haufe-Index 2731247) unterstellte eine Nachbetreuungspflicht, schätzte einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 20 Minuten pro Vertrag und Jahr und zinste nach der Tabelle 3 des BMF-Schreibens vom 26.5.2005 (BStBl I 2005, 699) ab. Danach verblieb eine Rückstellung in Höhe von 83.337 EUR.

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils. Im zweiten Rechtsgang sind die Verpflichtungen des Klägers im Rahmen der mehrstufigen Vertriebsstruktur, ein etwaiger Anspruch auf Folgeprovisionen und der Umfang seines Betreuungsaufwands zu prüfen.

 

Hinweis

1. Bilanzierende Versicherungsvertreter müssen eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands bilden, wenn sie die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags er­halten (z.B. BFH, Urteil vom 19.7.2011, X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147, BFH/PR 2011, 5). Der Erfüllungsrückstand setzt eine rechtliche Verpflichtung zur Betreuung der Versicherungen voraus. Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant.

2. Die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands wird durch die Unwesentlichkeit der Verpflichtung nicht ausgeschlossen.

3. Die Bildung einer Rückstellung nach den vorstehenden Grundsätzen kommt unabhängig davon in Betracht, ob der Verpflichtete Versicherungsvertreter (§ 92 Abs. 1 HGB), Versicherungsmakler (§ 93 HGB) oder Handelsvertreter (§§ 84ff. HGB) ist.

4. Die Bedeutung des Urteils liegt in den umfangreichen Ausführungen zu den Anforderungen an die Feststellung der rechtlich verpflichtenden konkreten Nachbetreuungspflicht, insbesondere bei mehrstufigen Vertriebsorganisationen:

a) Allgemeine Qualitätsvorgaben oder Richtlinien – vorliegend z.B. die Präambel des Mitarbeitervertrags, wonach jeder Kunde eine dauerhafte Betreuung beanspruchen kann – genügen insbesondere dann nicht, wenn sie die gesamte Vertriebsstruktur betreffen und nicht als konkrete Nachbetreuungspflicht des Steuerpflichtigen praktiziert werden, der die Abschlussprovision erhalten hat.
b) Die einzelnen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Vertriebsorganisation und dem Versicherungsnehmer sind darauf zu untersuchen, wen (auf welcher Ebene) wem gegenüber eine gesetzliche oder vertragliche Nachbetreuungspflicht in welchem Umfang trifft. Dabei ist sicherzustellen, dass nicht dieselbe Betreuungsleistung auf verschiedenen Ebenen der Vertriebsorganisation mehrfach zur Rückstellungsbildung genutzt wird.
c) Ein etwaiger Anspruch auf Folge- oder Bestandsprovisionen schließt einen Erfüllungsrückstand grundsätzlich aus.

5. Wenn eine vertragliche Betreuungspflicht besteht und Nachbetreuungsleistungen auch tatsächlich erbracht wurden, bemisst sich die Höhe der Rückstellung nach den Aufzeichnungen über den Umfang des Betreuungsaufwands. Fehlen verwertbare Aufzeichnungen, dann ist aufgrund der Darlegungs- und Beweislast des Steuerpflichtigen im unteren Rahmen zu schätzen.

6. Eine ggf. zu bildende Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG wäre nicht nach Tabelle 3, sondern nach Tabelle 2 des BMF-Schreibens vom 26.5.2005 (BStBl I 2005, 699, Tz. 26, 28) abzuzinsen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.2.2014 – III R 14/11

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