5.1 Bewertung in der Handelsbilanz

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist (Erfüllungsbetrag). Der Erfüllungsbetrag bezeichnet nach mehrheitlicher Meinung den bereits abgezinsten Verpflichtungsbetrag und entspricht damit dem Buchwert der Rückstellung.[1] Im Fall einer gegen den bilanzierenden Kaufmann angestrengten Klage sind folgende Komponenten in die Ermittlung des Verpflichtungsbetrags einzubeziehen:

  • Kosten für die Prozessvorbereitung und die Prozessführung wie z. B. Aufwendungen für Anwälte, Gerichtskosten, Personalkosten usw.
  • Schadenersatzverpflichtungen.
  • Bußgelder.
  • Werden die Aufwände teilweise durch eine Rechtsschutzversicherung abgedeckt, so mindert ein (zweifelsfreier und unbestrittener) Anspruch den Verpflichtungsbetrag in entsprechender Höhe.[2]

Zu berücksichtigen sind die Kosten für die am Bilanzstichtag anhängige Instanz. Ob zusätzlich auch die Kosten für eine höhere Instanz zu berücksichtigen sind, wird unterschiedlich beantwortet. Z.T. wird zusätzlich die Berücksichtigung der Kosten für die nächst höhere Instanz gefordert, wenn im konkreten Einzelfall ernsthaft damit zu rechnen ist, dass der Prozess in die nächst höhere Instanz geht.[3]

Die Schätzung des Verpflichtungsbetrags richtet sich grundsätzlich nach den Aufwendungen, die im Zeitpunkt der Erfüllung voraussichtlich entstehen werden. D. h., dass künftige Preis- und Kostensteigerungen bei der Bewertung der Rückstellungen einzubeziehen sind.

Im Fall der Verpflichtung aus einer angestrengten Klage unterliegen wesentliche Komponenten in der Regel jedoch keiner Kosten- oder Preissteigerung, sondern entsprechen dem geltend gemachten Betrag (z. B. Schadenersatz) oder ergeben sich z. B. aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder dem Gerichtskostengesetz. Daher werden Preissteigerungen nur bei sehr langen Restlaufzeiten wesentlich sein für die Bewertung einer Rückstellung für eine angestrengte Klage.

Eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr führt allerdings dazu, dass eine Rückstellung gemäß § 253 Abs. 2 HGB mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre entsprechend ihrer Restlaufzeit abzuzinsen ist. Die entsprechenden Zinssätze werden nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) von der Deutschen Bundesbank mit 2 Nachkommastellen ermittelt und auf der Homepage der Deutschen Bundesbank bekannt gemacht.[4]

Die voraussichtliche Restlaufzeit einer Rückstellung ist nach IDW RS HFA 34.36 der Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme. Diese steht entweder fest oder ist nach den Umständen des Einzelfalls zu schätzen. Bei Rückstellungen kann der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer in Anspruch genommen wird, unsicher sein. Diese Ungewissheit gehört zum Wesen einer Rückstellung.

[2] Vgl. Schubert, in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB, 12. Aufl., Rz. 100 (Prozesskosten).
[3] Vgl. Schubert, in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB, 12. Aufl., Rz. 100 (Prozesskosten).
[4] Vgl. Beitrag Rückstellung, Abzinsung.

5.2 Bewertung in der Steuerbilanz

Die handelsrechtliche Bewertung gilt im Grundsatz auch für die Steuerbilanz, jedoch nur soweit, wie das Steuerrecht keine selbstständigen Bewertungsvorschriften enthält, die zu einer niedrigeren Bewertung führen. In Bezug auf die Bewertung von Rückstellungen finden sich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gesonderte Regelungen.[1]

In Bezug auf eine Rückstellung aufgrund einer gegen den Bilanzierenden angestrengten Klage können sich daher – abhängig vom Einzelfall – insbesondere folgende Unterschiede zwischen dem handelsbilanziellen Wertansatz und dem steuerlichen Wert ergeben:

  • Bei Rückstellungen von mehr als 1 Jahr Restlaufzeit ist sowohl in der Handelsbilanz als auch im Zuge der Ermittlung des steuerlichen Werts nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG eine Abzinsung vornehmen. Allerdings ist zur Bestimmung des steuerlichen Werts abweichend vom Handelsrecht ein Zinssatz von 5,5 % (über alle Restlaufzeiten) anzuwenden.
  • Bei Ermittlung des steuerlichen Werts der Rückstellung sind nur die Kosten für die laufende Instanz zu berücksichtigen, nicht aber die Kosten für die nächst höhere Instanz.[2]

Bei der Ermittlung des steuerlichen Werts der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind nur die Preis- und Kostenverhältnisse am Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Wie oben dargestellt, ist in der Regel zu erwarten, dass bei Rückstellungen für eine angestrengte Klage wesentliche Komponenten keiner Kosten- oder Preissteigerung unterliegen. So dass der handelsrechtliche Verpflichtungsbetrag auch dem steuerlich zu Grunde zu legenden Verpflichtungsbetrag entspricht.

Der nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ermittelte steuerliche Wert einer Rückstellung kommt dann zum Tragen, wenn dieser den handelsrechtlichen Wert unterschreitet. D.h. nach der Ermittlung des steuerlichen Werts einer Rückstellung nach den Regeln des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist d...

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