Zusammenfassung

 
Begriff

Rücklagen sind Überschüsse aus wirtschaftlicher Tätigkeit, die für bestimmte künftige Zwecke reserviert sind. Rücklagen haben – im Gegensatz zu Rückstellungen – Eigenkapitalcharakter. Sie dienen der Selbstfinanzierung des Unternehmens und der Stärkung der Eigenkapitalbasis. Konkrete Zwecke sind z. B. die Deckung von Verlusten und die Finanzierung von Investitionen.

Das Handelsrecht unterscheidet zwischen offenen und stillen Rücklagen. Offene Rücklagen sind Kapital- oder Gewinnrücklagen. Stille Rücklagen sind die nicht ausgewiesenen stillen Reserven. Rücklagen werden meist aus versteuerten Gewinnen gebildet.

Das Steuerrecht gestattet im Einzelfall auch die Bildung unversteuerter Rücklagen. Bei steuerfreien Rücklagen wird ein vorhandener Buchgewinn steuerneutral auf folgende Wirtschaftsjahre übertragen. Steuerfreie Rücklagen können wirtschaftlich als noch nicht versteuertes Eigenkapital betrachtet werden, bilanziell stellen sie als sog. Sonderposten mit Rücklageanteil kein Eigenkapital dar. Handelsrechtlich unterliegen steuerfreie Rücklagen einem Passivierungsverbot. Die wichtigsten steuerfreien Rücklagen sind die Rücklage für Ersatzbeschaffung und die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Der Ausweis von Rücklagen und der Ausweis eigener Anteile ist handelsrechtlich in den §§ 247 Abs. 1, 266 Abs. 3, 272 Abs. 1a5 HGB geregelt. Die Bildung von Kapitalrücklagen und gesetzlicher Rücklagen für Aktiengesellschaften ergibt sich aus § 150 AktG, Regelungen zu Gewinnrücklagen finden sich in § 58 AktG.

Steuerrechtliche Regelungen finden sich in § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6b, § 6c und § 6d EStG sowie in den Hinweisen R 6.5 Abs. 4, R 6.6, R 6b und R 6c der EStR und in H 6b und H 6c der EStH. § 6b Abs. 2a S. 4 – 6 EStG enthält eine Verzinsungsregelung bei ganz oder teilweise ausbleibender Reinvestition in eine EU/EWR-Betriebsstätte.

Durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 25.3.2019 wurde in § 6b Abs. 2a S. 7 EStG eine Sonderregelung für angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter ergänzt, die einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen im Vereinigten Königreich Großbritannien bzw. Nordirland zuzuordnen sind.

Mit dem 2. Corona-Steuerhilfegesetz[1] werden in § 52 Abs. 14 EStG die Reinvestitionsfristen des § 6b EStG zunächst vorübergehend um 1 Jahr und mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuergesetzes[2] um ein weiteres Jahr verlängert. Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz werden die Reinvestitionsfristen nochmals verlängert.[3] Ist eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG in einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahr noch vorhanden und müsste sie in diesem Zeitraum aufgelöst werden, dann endet die Reinvestitionsfrist gemäß § 52 Abs. 14 S. 4 – 6 EStG erst am Schluss des nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2024 endenden Wirtschaftsjahres.

Das BMF hat in seinem Schreiben v. 7.3.2018 zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Rechtsnorm des § 6b Abs. 2a EStG Stellung genommen.[4]

Das BMF hat die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile im Schreiben v. 27.11.2013 geregelt[5] und äußert sich in seinem Schreiben v. 20.11.2013 zu Zweifelsfragen zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG.[6]

[1] Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz).
[2] Gesetz vom 25.6.2021, BGBl I 2021 S. 2050.
[3] Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) v. 19.6.2022, BGBl I 2022 S. 911.
[4] Vgl. BMF, Schreiben v. 7.3.2018, IV C 6 – S 2139/17/10001, BStBl 2018 I S. 309.

1 Rücklagen in der Handelsbilanz

1.1 Offene Rücklagen

Das handelsrechtliche Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft gliedert sich in

  • gezeichnetes Kapital,
  • Kapitalrücklagen,
  • Gewinnrücklagen,
  • den Gewinn- oder Verlustvortrag und den Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag bzw. den Bilanzgewinn/-verlust.

Kapital- und Gewinnrücklagen sind variable Teile des Eigenkapitals. Sie werden wegen ihres gesonderten bilanziellen Ausweises als offene Rücklagen bezeichnet. Offene Rücklagen werden aufgrund gesetzlicher Vorschriften, auf gesellschaftsvertraglicher oder freiwilliger Basis bei Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften gebildet.

Offene Rücklagen entstehen durch Zurückhaltung von Gewinnen im Rahmen der Innenfinanzierung – sog. Gewinnrücklage – bzw. durch die Einlage von zusätzlichem Eigenkapital im Rahmen der Außenfinanzierung z. B. durch Gesellschafterzuzahlungen – sog. Kapitalrücklage.

1.2 Stille Rücklagen

Stille Rücklagen – sog. stille Reserven – sind nicht aus der Bilanz ersichtliche unversteuerte Eigenkapitalanteile. Sie entstehen durch Unterbewertung von Aktiva, Nichtaktivierung aktivierungsfähiger Vermögensgegenstände, durch Verzicht auf mögliche Zuschreibungen bzw. Überbewertung von Passiva. Stil...

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