Leitsatz

Ein Kreditinstitut ist auch dann nur Zahlstelle und nicht zur Rückzahlung des vom FA auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenen Girokonto überwiesenen Betrags verpflichtet, wenn es den Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht abgerechnetes Girokonto verbucht und nach Rechnungsabschluss an den früheren Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat (Abgrenzung zu den Beschlüssen vom 28.01.2004, VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762, und vom 06.06.2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532).

 

Normenkette

§ 37 Abs. 2 AO, § 812 Abs. 1, § 676 f., § 667 BGB

 

Sachverhalt

Eine Bank hatte das Girokonto eines Kunden gekündigt. Kurz darauf schrieb sie jedoch auf diesem Konto noch einen Betrag gut, den das FA – unter Außerachtlassung einer diesbezüglichen Abtretungserklärung – für den Kunden überwiesen hatte. Sodann löste die Bank das Konto auf und hinterlegte das für den Kunden verbliebene Guthaben auf einem internen Verrechnungskonto. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen desselben kehrte die Bank das Guthaben an den Insolvenzverwalter aus.

Das FA hingegen, das seinen Irrtum inzwischen bemerkt hatte, erließ gegen die Bank einen Rückforderungsbescheid in Höhe des Überweisungsbetrags. Einspruch und Klage (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2008, 15 K 6215/05 B, Haufe-Index 2182012) blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH hat den Rückforderungsbescheid aufgehoben. Ein Rückzahlungsanspruch des FA gegenüber der Bank besteht nicht.

 

Hinweis

Sind an einem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt, ist derjenige Schuldner eines Rückzahlungsanspruchs, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückgefordert wird. Dies ist i.d.R. derjenige, demgegenüber die – vermeintliche oder tatsächlich bestehende – abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllt werden sollte. Ein Dritter ist folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, dann nicht Leistungsempfänger, wenn er lediglich als Zahlstelle benannt worden ist bzw. das FA aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an ihn eine Erstattung gezahlt hat. Denn in einem solchen Fall will das FA erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu dessen Gunsten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Nicht eine Bank, sondern der Bankkunde ist daher in Fällen einer Überweisung eines Steuererstattungsbetrags i.d.R. Zahlungsempfänger und damit Rückforderungsschuldner.

Ändert sich daran etwas, wenn das Konto, auf das das FA überweist, gar nicht besteht (aber die Bank z.B. dem Steuerpflichtigen ein Darlehen gewährt hat und die eingehende Überweisung zur Tilgung der Darlehensschuld verwendet) oder wenn es – mehr oder weniger lange Zeit – "nicht mehr" besteht? Kommt es in diesem Fall darauf an, ob die Bank aus dem beendeten Girovertrag noch Forderungen gegen ihren ehemaligen Kunden hat, das beendete Konto sich also im Debet befand?

Im zuletzt genannten Fall hat der BFH ebenso wie in dem Fall der Überweisung auf ein nicht bestehendes Konto eine Rückforderung gegenüber der Bank zugelassen, wenn diese die Gelegenheit nutzt, die eingehende Zahlung mit den Schulden, die der Adressat ihr gegenüber hat, zu verrechnen. Zahlt die Bank hingegen den eingehenden Betrag einem ehemaligen Kunden aus, kann der Betrag nach der hier zu besprechenden Entscheidung jedenfalls dann allenfalls vom Kunden und nicht von der Bank zurückgefordert werden, wenn der Girovertrag erst kürzlich beendet worden ist. Denn dann hat die Bank nach der Rechtsprechung des BGH sogar aus dem fortwirkenden beendeten Girovertrag die Rechtspflicht, noch eingehende Beträge dem ehemaligen Kunden gutzubringen.

Ob aufgrund dieser zivilrechtlichen Rechtsprechung die Rechtsprechung des BFH zur Rückforderungsmöglichkeit gegenüber einer Bank bei nicht bestehendem Konto oder bei mit einem Debet aufgelösten Konto aufrechtzuerhalten ist, mag man fragen können. Die Besprechungsentscheidung beantwortet diese Frage allerdings ebenso wenig wie die Frage, wie lange nach Auflösung des Kontos die Pflicht der Bank besteht, noch eingehende Beträge an den ehemaligen Kunden weiterzuleiten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.11.2009 – VII R 6/09

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