Das Wichtigste, was man über Risikomanagement und allgemein eine risiko- und wertorientierte Unternehmensführung wissen sollte, ist in den folgenden Kernaussagen zusammenfasst:[1]

  1. Risiken sind die aus der Unvorhersehbarkeit der Zukunft resultierenden Möglichkeiten, dass Planabweichungen auftreten können. Risiko ist der Oberbegriff zu Chance und Gefahr (d. h. möglichen positiven und negativen Planabweichungen).
  2. Besonders wesentliche Risiken sind die "strategischen Risiken" (insbesondere Bedrohungen der Erfolgspotenziale) und die Unsicherheiten bezüglich wesentlicher Planannahmen (z. B. bezüglich der Entwicklung von Nachfrage, Rohstoffpreisen oder Wechselkursen).
  3. Risikomanagement beschäftigt sich als Querschnittsfunktion im Unternehmen mit der systematischen Identifikation, Quantifizierung, Aggregation, Bewältigung (Steuerung) und Überwachung von Risiken. Zielsetzung ist es, Transparenz zu schaffen über den Risikoumfang, um insbesondere mögliche bestandsbedrohende Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Ein ökonomischer Mehrwert entsteht insbesondere, wenn schon bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen deren Implikationen für die zukünftigen Erträge einerseits sowie Risiko und Rating andererseits beurteilt werden.
  4. Der Grad der Bestandsbedrohung eines Unternehmens in der Zukunft wird durch das zukünftige Rating ausgedrückt, das ein Maß für die Insolvenzwahrscheinlichkeit ist. Die Berechnung der Implikationen bestehender Risiken für das zukünftige Rating, also die Beurteilung eines Unternehmens aus Gläubigerperspektive, ist notwendig, um bestandsbedrohende Entwicklungen einschätzen zu können.
  5. Alle wesentlichen Risiken des Unternehmens sollen und können – adäquate Fachkompetenz vorausgesetzt – durch geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben werden (z. B. durch Angabe von Mindestwert, wahrscheinlichstem Wert und Maximalwert einer Planungsposition).
  6. Da normalerweise nicht Einzelrisiken, sondern Kombinationseffekte mehrerer Risiken zu Krisen und "bestandsgefährdenden Entwicklungen" (im Sinne § 91 Abs. 2 AktG) führen, ist die Risikoaggregation die Schlüsseltechnologie im Risikomanagement. Risikoaggregation bestimmt den Gesamtrisikoumfang durch die Berechnung einer großen repräsentativen Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien (Monte-Carlo-Simulation).
  7. Das Abwägen erwarteter Erträge und Risiken über einen Erfolgsmaßstab ist möglich durch die Kennzahl "Unternehmenswert". Diesen kann man, ausgehend vom aggregierten Ertragsrisiko über risikogerechte Kapitalkosten, berechnen und so z. B. verschiedene strategische Handlungsoptionen vergleichen ("Strategiebewertung"). Risikoanalysen sind damit eine notwendige Grundlage für ein wertorientiertes Management, weil man aufgrund von Kapitalmarktunvollkommenheiten aus "historischen Aktienrenditeschwankungen" (Betafaktor des CAPM) nicht auf die bewertungsrelevanten zukünftigen Ertragsrisiken des Unternehmens schließen kann.
  8. Das Risikomanagement eines Unternehmens sollte, soweit möglich, für die Erfüllung seiner Aufgaben bestehende und bewährte Managementsysteme – wie Controlling, Qualitätsmanagement oder Projektmanagement – nutzen und, oft im Zusammenspiel mit der Weiterentwicklung des Controllings, zu einem integrierten "wertorientierten Unternehmenssteuerungsansatz" weiterentwickelt werden. Ziel ist es, die Unternehmensführung in die Lage zu versetzen, bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft deren Unwägbarkeiten besser im Entscheidungskalkül berücksichtigen zu können (und so den Unternehmenserfolg nachhaltig zu fördern).
  9. Risikobewältigungsmaßnahmen tragen zur Optimierung des Ertrag-Risiko-Profils bei und sind unter Beachtung ihrer Kosten und der Wirkungen auf den Gesamtrisikoumfang zu beurteilen (Optimierung der Risikokosten). Eine grundlegende Verbesserung des Ertrag-Risiko-Profils erfordert meist eine Änderung der Strategie auf dem Weg zu einem "robusten Unternehmen". Dieses meidet kritische Abhängigkeiten, hat ein hohes Risikodeckungspotenzial, hohe Flexibilität und baut auf Kernkompetenzen, die auf möglichst vielen attraktiven Märkten Wettbewerbsvorteile (Preissetzungsmacht) nachhaltig absichern.
  10. Bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft sollten alle Mitarbeiter – und insbesondere die Unternehmensführung – jedes Management auch als Risikomanagement auffassen. Chancen und Gefahren, auch aus der unsicheren Wirkung der eigenen Aktivitäten und Entscheidungen, sollten grundsätzlich auch im üblichen Tagesgeschäft adäquat beachtet werden.
[1] In enger Anlehnung an Gleißner, 2017a, S. 525 f.

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