Der Gesamtrisikoumfang wird durch eine Risikoaggregation bestimmt

Aus dem Risikoinventar kann nur abgeleitet werden, welche Risiken für sich alleine den Bestand eines Unternehmens gefährden. Um zu beurteilen, wie groß der Gesamtrisikoumfang ist (und damit der Grad an Bestandsgefährdung durch die Menge aller Risiken), wird eine sog. Risikoaggregation erforderlich, die auch Kombinationseffekte mehrerer Einzelrisiken betrachtet. Bei dieser Risikoaggregation werden die quantifizierten Risiken in den Kontext der Unternehmensplanung gestellt, d. h., es wird jeweils aufgezeigt, welches Risiko an welcher Position der Planung (Erfolgsplanung) zu Abweichungen führt.

Risikosimulationsverfahren berechnen eine große repräsentative Anzahl möglicher risikobedingter Zukunftsszenarien

Mithilfe von Risikosimulationsverfahren kann dann eine große repräsentative Anzahl möglicher risikobedingter Zukunftsszenarien berechnet und analysiert werden. Damit sind Rückschlüsse auf den Gesamtrisikoumfang, die Planungssicherung und eine realistische Bandbreite z. B. des Unternehmensergebnisses möglich ("Monte-Carlo-Simulation").[2] Aus der ermittelten risikobedingten Bandbreite des Ergebnisses kann unmittelbar auf die Höhe möglicher risikobedingter Verluste und damit auf den Bedarf an Eigenkapital und Liquidität zur Risikodeckung geschlossen werden, was wiederum Rückschlüsse auf das angemessene Rating zulässt. Auf diese Weise können auch Risikokennzahlen wie die Eigenkapitaldeckung bestimmt werden, die das Verhältnis des verfügbaren Eigenkapitals zum Eigenkapitalbedarf anzeigt.[3] Der Sachverhalt, dass nicht Einzelrisiken, sondern der aggregierte Gesamtrisikoumfang für die Beurteilung der (freien) Risikotragfähigkeit und den Grad der Bestandsbedrohung eines Unternehmens maßgeblich ist, ist seit langem bekannt. Daher findet man in dem IDW Prüfungsstandard 340 folgende zentrale Anforderung:

"Die Risikoanalyse beinhaltet eine Beurteilung der Tragweite der erkannten Risiken in Bezug auf Eintrittswahrscheinlichkeit und quantitative Auswirkungen. Hierzu gehört auch die Einschätzung, ob Einzelrisiken, die isoliert betrachtet von nachrangiger Bedeutung sind, sich in ihrem Zusammenwirken oder durch Kumulation im Zeitablauf zu einem bestandsgefährdenden Risiko aggregieren können."

Gefordert wird also die Quantifizierung und Aggregation aller (wesentlichen) Risiken über alle Risikoarten und auch über die Zeit.[4] Durch eine Aggregation im Kontext der Planung – Chancen und Gefahren verstanden als Ursache möglicher Planabweichungen – muss untersucht werden, welche Auswirkungen diese auf den zukünftigen Ertrag, Kreditvereinbarungen (Covenants) und das Rating haben. So ist bspw. zu untersuchen, mit welcher Wahrscheinlichkeit durch den Eintritt bestehender Risiken (z. B. Konjunktureinbruch in Verbindung mit einem gescheiterten Großinvestitionsprojekt) das durch Finanzkennzahlen abschätzbare zukünftige Rating des Unternehmens unter ein für die Kapitaldienstfähigkeit notwendiges Niveau (B-Rating) abfallen könnte. Gerade die aus der Risikoaggregation ableitbaren Ratingprognosen verknüpfen Unternehmensplanung und Risikoanalyse und stellen so den wichtigsten Krisenfrühwarnindikator dar. Ohne diese gemeinsame Betrachtung, also der Risikoaggregation, ist eine mögliche Bestandsbedrohung des Unternehmens nicht erkennbar.

[1] In enger Anlehnung an Gleißner, 2016a.
[2] Vgl. Füser/Gleißner/Meier, 1999 und Gleißner, 2016a.
[3] Vgl. Beitrag von Gleißner "Quantifizierung und Aggregation von Risiken".
[4] Vgl. Beitrag von Gleißner "Quantifizierung und Aggregation von Risiken".

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