Die Hofer Kunststoffteile GmbH will eine Sachinvestition bewerten und entscheidet nach der Durchführung der Risikoaggregation, wie viel Fremdkapital sie zur Finanzierung dieser Investition (I0 = 100 TEUR) aufnehmen wird, damit die vorgegebene Ausfallwahrscheinlichkeit (p) von im Beispiel 2,5 % gehalten wird Rating: BB-).[1] Dazu bedarf es einer Simulation der erwarteten operativen Rückflüsse, in der die Risiken einbezogen werden. Identifizierte Erlös- und Kostenrisiken werden dabei berücksichtigt. In diesem Fallbeispiel wurde ein Modell entwickelt, in dem eine Simulation unter Einbeziehung des (normalverteilten) Rückflusses (Erwartungswert der Zahlung TEUR mit Standardabweichung TEUR) nach einem Jahr sowie des Risikos eines außerordentlichen Schadens (S) i. H. v. 20 TEUR (Eintrittswahrscheinlichkeit p = 15 %) durchgeführt wurde. Abb. 6 zeigt das Ergebnis der Simulation.

Abb. 6: Verteilungsfunktion von E(Z), Quelle: FutureValue Group AG, Software Strategie Navigator

Die Verteilungsfunktion zeigt die erwartete Höhe des Rückflusses von 108 TEUR.

Risikogerechte Finanzierungsstruktur und Beleihungsgrenze ergeben sich aus Risikoaggregation

Bei Betrachtung des errechneten Erwartungswerts von 108 TEUR für die Projektrückflüsse wird einmal mehr die zentrale Bedeutung von Risikoinformationen deutlich. Der Erwartungswert liegt klar unter dem Planwert (wahrscheinlichsten Wert) von 111 TEUR. Ursache hierfür ist, dass Chancen und Gefahren (Risiken) nicht symmetrisch sind – im Fallbeispiel ist ein klarer Gefahrenüberhang festzustellen. Die Berechnung erwartungstreuer Planwerte, die "im Mittel" realisiert werden, erfordert die Kenntnisse über Chancen und Gefahren. Man erkennt hiermit, dass schon für die Bestimmung aussagefähiger und entscheidungsrelevanter Planwerte (im Sinne von Erwartungswerten) die Identifikation und Quantifizierung der Risiken zwingend notwendig ist. Auf diesen Sachverhalt weisen auch die neuen Grundsätze ordnungsgemäßer Planung (GoP-Version 2.1 vom Dezember 2009) hin. Hier wird klargestellt, dass eine "ordnungsgemäße" Planung i. d. R. Erwartungswerte angeben muss und dies erfordert die Identifikation und quantitative Bewertung der Risiken.[2]

Die Simulationsergebnisse zeigen auch, dass der "Mindest-Rückfluss" dieser "schiefen" Verteilung mit 97,5 %iger Wahrscheinlichkeit 81,5 TEUR beträgt. D. h., das Unternehmen kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,5 % einen Rückfluss i. H. v. mindestens 81,5 TEUR erwarten. Sollen Zinszahlungen berücksichtigt werden, ergibt sich für das maximale Fremdkapital bei einem möglichen Finanzkapitalzins wie folgt:

(1)

Fremdkapital in dieser Höhe ist mit 97,5 %iger Sicherheit zurückzahlbar und entsprechend der notwendige Eigenkapitalbedarf I0 - FKmax (ohne Diversifikationseffekte).

Der unterstellte Fremdkapitalzinssatz von berechnet sich aus der Insolvenzwahrscheinlichkeit (p = 2,5 %) und der Renditeforderung der Gläubiger mit

(2)

wobei die Ausfallwahrscheinlichkeit p = 2,5 % ist und der Fremdkapitalkostensatz dem risikolosen Zins entspricht. Für den Fall der Insolvenz – Verzehr des Eigenkapitals – wird bei der Berechnung des Fremdkapitalzinssatzes der Gläubiger vereinfachend eine Rückzahlung von 0 unterstellt (Recovery Rate = 0). Auch Nachschussverpflichtungen werden nicht angenommen.

Der Eigenkapitalbedarf (zur Deckung möglicher Verluste) berechnet sich demnach als Differenz zwischen Investitionsvolumen (I0) und dem maximal möglichen Fremdkapital

.

Zur Bewertung müssen zuerst die Eigenkapitalkosten bzw. der Risikozuschlag als erwartete Renditen einer Alternativanlage berechnet werden:[3]

(3)

Für eine Ausfallwahrscheinlichkeit von p = 2,5 % (d. h. als Quantil der Normalverteilung), einer Standardabweichung der Rendite des Marktportfolios (Aktienindex) von und einer erwarteten Marktrendite von erhält man mit (3) einen Risikozuschlag auf das Eigenkapital von 12,8 %.

Zusammen mit dem gerade ermittelten Eigenkapitalbedarf ergibt sich als nächster Schritt der Wert , wobei Steuern und ein Tax Shield vernachlässigt werden. Der Wert berechnet sich, indem vom Erwartungswert der Rückzahlung ein Risikoabschlag in Höhe der kalkulatorischen Zusatzkosten für den Eigenkapitalbedarf abgezogen wird (Wagniskosten). Dieses Ergebnis ist dann mit dem risikolosen Zins () zu diskontieren (Sicherheitsäquivalent).

(4)

Der Netto-Kapitalwert () ist positiv. Daraus folgt, dass die Investition in der Weise getätigt werden kann, aber keine herausragende, risikoadjustierte Rendite zu erwarten ist.

Der risikogerechte Kapitalkostensatz als risikogerechte Renditeforderung beträgt:

(5)
[1] In Anlehnung an Gleißner, 2011e.
[2] Vgl. zudem Gleißner/Presber, 2010.
[3] Risikoidentifikationseffekte im Portfoliokontext werden hier nicht berücksichtigt und alle Risiken als "bewegungsrelevant" interpretiert (d = 1); vgl. weiterführend und zur Herleitung Gleißner, 2011, 2011b und 2011c.

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