Überblick

Führt ein Unternehmer eine einheitliche Leistung aus, die sowohl Elemente einer Lieferung als auch einer sonstigen Leistung enthält, muss entschieden werden, ob es sich um eine Werklieferung oder eine Werkleistung handelt. Dabei ist grundsätzlich festzustellen, ob die Merkmale der Lieferung oder der sonstigen Leistung überwiegen. In welchem Verhältnis sich das verwendete Material zu der Arbeitsleistung verhält, kann höchstens ein Indiz für die Einordnung der Leistung sein. Für alle ab dem 1.1.2013 ausgeführten Reparaturarbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen ermöglicht die Finanzverwaltung in den Fällen, in denen nach den grundsätzlichen Abgrenzungskriterien nicht sicher bestimmt werden kann, ob eine Werklieferung oder Werkleistung vorliegt, eine vereinfachte Abgrenzung: Entfällt auf das bei der Reparatur verwendete Material mehr als 50 % des berechneten Gesamtentgelts, kann von einer Werklieferung ausgegangen werden.

 

Kommentar

Die rechtliche Problematik

Das Umsatzsteuerrecht kennt als Leistungstatbestände nur die Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand, § 3 Abs. 1 UStG) oder die sonstige Leistung (jede Leistung, die keine Lieferung darstellt, § 3 Abs. 9 UStG). Häufig werden aber von einem Unternehmer einheitliche Leistungen ausgeführt, die sowohl Elemente der Lieferung als auch der sonstigen Leistung enthalten. In diesen Fällen muss abgegrenzt werden, ob es sich um eine Werklieferung oder um eine Werkleistung handelt.

Wichtig

Ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt, ist nicht nur für die zutreffende Bestimmung des Orts der Leistung von Bedeutung. Bei grenzüberschreitend ausgeführten Leistungen ist auch wichtig, ob die Leistung nach den Grundsätzen der Ausfuhrlieferung, der innergemeinschaftlichen Lieferung oder der Lohnveredelung steuerbefreit sein kann[1].

Verwendet der Unternehmer bei einer solchen einheitlichen Leistung nur Nebensachen oder Zutaten, liegt nach § 3 Abs. 4 UStG keine Werklieferung vor; der Vorgang ist als sonstige Leistung (Werkleistung) zu beurteilen. Hat der leistende Unternehmer bei der Ausführung seiner Leistung aber Hauptstoffe verwendet, die er selber beschafft hat, liegt eine Werklie­ferung vor, die als Lieferung zu beurteilen ist.

Bei der Abgrenzung, ob es sich bei dem verwendeten Material um Nebensachen/Zutaten oder um einen Hauptstoff handelt, soll auf die Sicht eines Durchschnittsbetrachters abgestellt werden[2]. Das Verhältnis des Werts der verwendeten Materialien zu dem Wert der Arbeit ist dabei kein allgemeines Abgrenzungskriterium.

Praxis-Tipp

Kleine Hilfsstoffe, wie Nägel, Schrauben, Splinte o. Ä. sind regelmäßig als Nebensachen oder Zutaten anzusehen.

Da es insbesondere bei Reparaturarbeiten an Beförderungsmitteln zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten kam, ob das verwendete Material einen Hauptstoff darstellt oder nur als Nebensachen oder Zutaten anzusehen war, hatte die Finanzverwaltung schon früher eine Vereinfachungsregelung[3] bei der Reparatur von Beförderungsmitteln getroffen. Dies war insbesondere für die zutreffende Beurteilung als steuerfreie Ausfuhrlieferung von Bedeutung.

  • Entfiel auf das vom leistenden Unternehmer bei der Reparatur eines Beförderungsmittels verwendete Material mehr als 50 % des Gesamtentgelts, konnte aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Werklieferung handelt. Die Werklieferung konnte dann unter den weiteren Voraussetzungen als Ausfuhrlieferung steuerfrei sein.
  • Lagen die Voraussetzungen für eine Werklieferung nicht vor, galt die Reparaturleistung als Werkleistung. Eine Steuerbefreiung als Lohnveredelung konnte nur dann in Betracht kommen, wenn der Gegenstand zum Zweck der Reparatur in das Inland eingeführt worden war oder zu diesem Zweck im Inland erworben wurde.
Wichtig

Bisher galt diese Vereinfachungsregelung nur für die Reparatur von Beförderungsmitteln, z. B. eines Kraftfahrzeugs, einer Yacht oder eines Sportflugzeugs.

Praxis-Beispiel

Tourist T aus Russland ist mit seinem Privatfahrzeug in Frankfurt/Oder in einen Unfall verwickelt gewesen und muss sein Fahrzeug in der Werkstatt des W reparieren lassen.

Entfallen mehr als 50 % des Gesamtentgelts auf das Material, kann aus Vereinfachungsgründen von einer Werklieferung ausgegangen werden[4]. Damit ist die Reparatur zwar in Deutschland steuerbar (Ort ist dort, wo die Beförderung nach Abholung beginnt, § 3 Abs. 6 UStG). Die Werklieferung ist aber als Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG steuerfrei[5].

Verwendet W bei der Reparatur nur Nebensachen und Zutaten, liegt eine Werkleistung vor. Die Werkleistung ist in Deutschland steuerbar (Ort der Leistung ist dort, wo der leistende Unternehmer tätig geworden ist, § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG) und steuerpflichtig, eine Steuerbefreiung ergibt sich nicht. Insbesondere liegt keine Lohnveredelung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 7 Abs. 1 UStG vor, da der Gegenstand nicht zum Zweck der Be- oder Verarbeitung in das Inland eingefü...

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