Sachverhalt

Bei der Klage der EU-Kommission gegen Spanien ging es um die Margenbesteuerung von Reiseleistungen nach Art. 306 bis 310 MwStSystRL. Die Kommission war der Auffassung, dass Spanien dadurch gegen Art. 306 bis 310, 226, 168, 169 und 73 MwStSystRL verstoßen habe, dass Spanien

  • • die Sonderregelung für Reiseleistungen in den Fällen anwendet, in denen die Reiseleistungen an eine andere Person als einen Reisenden erbracht worden sind,
  • • von der Anwendung der Sonderregelung die Verkäufe der Reisen ausschließt, die von Reiseveranstaltern organisiert und durch Reisebüros, die im eigenen Namen auftreten, verkauft werden,
  • • es Reiseveranstaltern unter bestimmten Umständen gestattet, in der Rechnung einen globalen MwSt-Betrag auszuweisen, der nicht in Beziehung zu der tatsächlichen an den Kunden weitergegebenen MwSt steht, und dem Kunden gestattet, wenn dieser Unternehmer ist, diesen globalen Betrag als Vorsteuer abzuziehen, und
  • • es Reiseveranstaltern erlaubt, die Bemessungsgrundlage für die Reiseleistungen pauschal für jeden Besteuerungszeitraum festzusetzen.

Die Kommission war der Ansicht, dass die Anwendung der Margenregelung durch Spanien gegen die MwStSystRL verstoße, soweit sie nicht auf die Reiseleistungen an Reisende beschränkt ist, wie dies die Richtlinie vorschreibe, sondern für alle Arten von Kunden zulässig sei. Außerdem finde das spanische Recht, dass von der Sonderregelung Verkäufe der Reisen ausgeschlossen sind, die von Reiseveranstaltern organisiert worden sind und durch Reisebüros, die im eigenen Namen auftreten, an private Abnehmer verkauft werden, keine Stütze in der Richtlinie, da solche Tätigkeiten zweifellos in den Anwendungsbereich der Margenregelung fielen.

Die Kommission war der Auffassung, dass sowohl die spanischen Regelungen, wonach es Reisebüros - ohne Grundlage in der MwStSystRL - gestattet sei, in der Rechnung MwSt auszuweisen, die nicht in Beziehung zu der tatsächlich an den Kunden weitergegebenen MwSt stehe, als auch die Vorschriften, die es dem Kunden, obwohl er Unternehmer sei, erlaubten, die ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abzuziehen, und die Regelungen, die es Reisebüros, soweit sie von der Margenregelung Gebrauch machten, erlaubten, die Steuerbemessungsgrundlage global für jeden Besteuerungszeitraum festzusetzen, gegen die MwStSystRL verstießen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat den ersten Klageantrag der Kommission (Anwendung der Margenregelung für Reiseleistungen auf alle Arten von Kunden, nicht nur Reisende) als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung beruht auf den insoweit unterschiedlichen Sprachfassungen der MwStSystRL bzw. der 6. EG-Richtlinie. Der EuGH stellt fest, in der spanischen Sprachfassung der Art. 306 bis 310 MwSt und Art. 26 Abs. 1 bis 4 der 6. EG- Richtlinie werde zwar systematisch der Begriff "Reisender" verwendet. In den anderen Sprachfassungen der beiden Richtlinien würden dagegen die Begriffe "Reisender" und/oder "Kunde" verwendet, wobei bisweilen unterschiedliche Begriffe von einer zur anderen Bestimmung verwendet werden. Trotz dieser Abweichungen hielt die EU-Kommission eine wörtliche Auslegung, gestützt auf fünf der sechs ursprünglichen Sprachfassungen der 6. EG-Richtlinie, in denen systematisch der Begriff "Reisender" verwendet wird, für möglich, da die Verwendung des Begriffs "Kunde" in der englischen Sprachfassung der Richtlinie einen Fehler darstelle. Der Umstand, dass der Begriff "Kunde" nur in der englischen Sprachfassung und zudem nur ein einziges Mal verwendet wird, könne die Vermutung nahe legen, dass es sich um einen Fehler handelt. Auch sei der Entwurf der 6. EG-Richtlinie in französischer Sprache gefasst gewesen und bei der Übersetzung dieser Richtlinie ins Englische sei ein Fehler unterlaufen. Spanien hatte argumentiert, die Kommission selbst habe in einer großen Zahl von Sprachfassungen ihres Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388 bezüglich der Sonderregelung für Reisebüros (KOM[2002] 64 endg.) v. 8.2.2002 die Wendung "das gegenüber den Kunden im eigenen Namen auftritt" verwendet.

Der EuGH hat die Argumentation der Kommission zurückgewiesen. Wenn es sich in der englischen Sprachfassung der 6. EG-Richtlinie um einen Fehler handeln sollte, sei dieser jedenfalls nicht berichtigt worden. Obwohl der vermeintliche Fehler zumindest bei Annahme der MwStSystRL hätte korrigiert werden können, sei dies nicht geschehen, denn der Begriff "Kunde" komme auch in zahlreichen Sprachfassungen der Art. 306 bis 310 der MwStSystRL- bisweilen in unsystematischer Weise - vor.

Eine rein wörtliche Auslegung der Sonderregelung für Reisebüros, die auf den Wortlaut einer oder mehrerer Sprachfassungen unter Ausschluss der anderen gestützt ist, kann nach dem EuGH-Urteil nicht ausschlaggebend sein. Nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Vorschriften des Unionsrechts einheitlich im Licht aller Sprachfassungen der Union auszulegen und anzuwenden sind. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Unionstextes...

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