Rz. 82

Üblicherweise gehören Reisekosten zu den sofort abzugsfähigen Aufwendungen der Periode und werden entsprechend verbucht. Denkbar wäre allerdings auch eine Aktivierung von Reisekosten als Nebenkosten zu Anschaffungs- oder Herstellungsvorgängen.

 

Rz. 83

Allgemeine Voraussetzung für die Aktivierung von Anschaffungsnebenkosten[1] ist, dass es sich um Einzelkosten handelt, die mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstands bzw. dessen Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand in Zusammenhang stehen. Auch Reisekosten können diese Voraussetzung erfüllen, allerdings nur dann, wenn sie einzeln aufgezeichnet werden und einzeln der Anschaffung eines konkreten Vermögensgegenstands zugeordnet werden können. Unter diesen Voraussetzungen besteht eine Aktivierungspflicht. Allerdings kann nach allgemeiner Auffassung auf die Aktivierung von Anschaffungsnebenkosten verzichtet werden, wenn sie im Verhältnis zum Anschaffungspreis unbedeutend sind oder ihre Ermittlung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursachen würde.[2]

 

Rz. 84

Die Rechtsprechung hat sich bislang u. a. in folgenden Fällen mit der Aktivierung von Reisekosten als Anschaffungsnebenkosten befasst:

  • Bereits 1972 entschied der BFH,[3] dass im Warenanschaffungsbereich entstehende Reisekosten in der Regel zu den nicht aktivierungsfähigen Verwaltungsgemeinkosten und damit zu den laufenden Betriebsausgaben gehören. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass ein Antiquitätenhändler Orientierungsreisen ins Ausland unternommen hatte, anlässlich derer es nicht zu konkret geplanten Erwerben von Antiquitäten kam. Dementsprechend hat es der BFH offengelassen, ob eine mit dem Ziel des Erwerbs eines bestimmten Gegenstands des Umlaufvermögens unternommene Reise zu Anschaffungsnebenkosten führt.
  • Für den Fall der Anschaffung eines zu vermietenden Gebäudes hat der BFH[4] entschieden, dass Reisekosten, die infolge von Besichtigungsfahrten vor der Entscheidung für ein konkretes Objekt anfallen, nicht zu den Anschaffungsnebenkosten rechnen. Ist dagegen die Entscheidung für ein bestimmtes Objekt gefallen und entstehen danach Reisekosten, so rechnen diese zu den Anschaffungskosten, weil sie dem erworbenen Gebäude zugeordnet werden können.
  • Im Jahr 2001 entschied der BFH, dass Reisekosten zu den Anschaffungsnebenkosten gerechnet werden, wenn sie in unmittelbarem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, wie beispielsweise die Kosten für die Fahrt zum Notartermin.[5]
 

Rz. 85

Vor diesem Hintergrund sind Reisekosten u. E. dann als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren, wenn

  • ein Zusammenhang der Reise mit der Anschaffung eines konkreten Vermögensgegenstands, gleich ob Anlage- oder Umlaufvermögen, besteht,
  • Reisekosten dem Vermögensgegenstand zugeordnet werden können,
  • es sich um Einzelkosten handelt und
  • die Höhe der Reisekosten im Verhältnis zu den Anschaffungskosten ins Gewicht fällt.
 

Rz. 86

Unter Anwendung dieser Grundsätze

  • können durch Betriebsfahrzeuge verursachte Aufwendungen regelmäßig nicht aktiviert werden, da es sich dabei um typische Gemeinkosten handelt,
  • haben Aufwendungen für die Nutzung von Privatfahrzeugen oder Mietwagen, öffentliche Beförderungsmittel, Übernachtungen und Verpflegung regelmäßig Einzelkostencharakter und sind aktivierungsfähig.
 

Beispiel 20

2 Flugreisen aus unterschiedlichem Anlass

Der Geschäftsführer eines in Deutschland ansässigen Unternehmens unternimmt 2 Flugreisen in die USA. Anlass der ersten Reise ist der Erwerb einer Lizenz für den Vertrieb eines Produkts für 50.000 EUR. Die zweite Reise dient dem Einkauf einer Warenkollektion. Die Kosten je Reise betragen 5.000 EUR.

Die Kosten für den Erwerb der Lizenz rechnen zu den Anschaffungsnebenkosten der Lizenz. Sie sind mit der konkreten Anschaffung verbunden, einzeln zuordenbar und mit 10 % der Anschaffungskosten der Lizenz nicht unbedeutend. Die Kosten für die zweite Reise stellen dagegen Gemeinkosten dar und sind daher nicht aktivierungspflichtig.

 

Rz. 87

Ob Reisekosten als Teil der Herstellungskosten[6] aktiviert werden können oder müssen, richtet sich danach, welcher der in § 255 Abs. 2 HGB genannten "Kostenarten" sie unterfallen. In Betracht kommen insbesondere Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten, wobei sich die Zuordnung der Reisekosten zu diesen Kostenkategorien zweckmäßigerweise nach der Zuordnung der Löhne und Gehälter der die Reisekosten verursachenden Mitarbeiter richten sollte. Dementsprechend rechnen

  • Reisekosten und Auslösungen des in der Produktion oder auf Montage tätigen Personals zu den Fertigungskosten,
  • Reisekosten des Unternehmers und des im allgemeinen Verwaltungsbereich tätigen Personals zu den Verwaltungskosten,
  • Reisekosten des Außendienstes oder von Vertretern zu den Vertriebskosten.
 

Rz. 88

Wird eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erworben, rechnen Kosten eines Gesellschafters aufgrund von Fahrten zum Sitz dieser Gesellschaft zwecks Überwachung der Produktion nicht zu den Anschaffungskosten der Beteiligung, sondern stellen Werbungskost...

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