Wegen der bei Leiharbeitsverhältnissen bestehenden Besonderheit, dass der tatsächliche Einsatzort und der Ort des Verleiharbeitgebers auseinanderfallen, ist die Prüfung der ersten Tätigkeitsstätte nicht nur arbeitgeberbezogen, sondern auch entleiherbezogen vorzunehmen. Die erste Tätigkeitsstätte kann der Leiharbeitnehmer zum einen bei der Verleihfirma begründen, wenn er seinen Arbeitgeber mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsucht und der Arbeitgeber von der ihm gebotenen Möglichkeit der arbeitsrechtlichen Zuordnung Gebrauch macht. Auf den Umfang und den Inhalt der dort verrichteten Arbeiten kommt es nicht an. Ausreichend ist es, wenn der Arbeitnehmer in die Zeitarbeitsfirma zu Kontrollzwecken, zur Abgabe von Stundennachweisen und anderen organisatorischen Aufgaben fährt. Insoweit sind die allgemein für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte in einer ortsfesten betrieblichen Arbeitgebereinrichtung geltenden Grundsätze zu beachten (arbeitsrechtliche Zuordnung). Keine praktische Bedeutung dürfte in Bezug auf den Arbeitgeber der zeitlich orientierten Abgrenzung der ersten Tätigkeitsstätte zukommen (quantitative Zuordnung). Der Leiharbeitnehmer wird regelmäßig weder 1/3 seiner vertraglichen Arbeitszeit noch 2 Arbeitstage pro Woche Arbeiten im Betrieb des Verleihers verrichten und dort im Normalfall zeitlich keine erste Tätigkeitsstätte begründen.

Zum anderen kann die betriebliche Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten eine erste Tätigkeitsstätte sein, wenn der Arbeitnehmer dort dauerhaft eingesetzt werden soll. Ausgehend von den allgemein für arbeitgeberfremde betriebliche Einrichtungen geltenden Kriterien kommt dadurch bei Leiharbeitnehmern anstelle der betrieblichen Einrichtung des Leiharbeitgebers auch die Betriebsstätte des Entleihers als erste Tätigkeitsstätte infrage. Voraussetzung ist, dass der Zeitarbeitnehmer für die gesamte Dauer des Leiharbeitsverhältnisses, unbefristet oder länger als 48 Monate in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung der Entleiherfirma tätig werden soll. Für die zeitliche Prüfung der dauerhaften Tätigkeit an einer betrieblichen Einrichtung der Entleiherfirma ist es erforderlich, dass der Zeitarbeiter während der Gesamtdauer des Dienstverhältnisses oder zeitlich unbefristet bzw. länger als 48 Monaten in der auswärtigen Entleihereinrichtung eingesetzt werden soll. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Zeitarbeitsvertrag den Einsatz auf einen Entleiher beschränkt oder die Überlassung an verschiedene Firmen zulässt. Während die steuerliche Beurteilung im ersten Fall ausschließlich in Bezug auf den mit dem Arbeitgeber geschlossenen Zeitarbeitsvertrag vorzunehmen ist, ist für einen dauerhaften Entleihereinsatz in den übrigen Fällen auf den jeweiligen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abzustellen. Die folgenden beiden Fallgruppen sind zu unterscheiden:

  • Zeitarbeitsvertrag umfasst einen Entleihereinsatz

Unabhängig davon, ob ein befristeter oder unbefristeter Zeitarbeitsvertrag geschlossen wird, ist von einer dauerhaften Auswärtstätigkeit i. S. d. ersten Tätigkeitsstätte beim Entleiher dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen während seines Zeitarbeitsverhältnisses nur an ein Unternehmen überlassen werden kann und damit für die gesamte Dauer des Leiharbeitsverhältnisses in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig werden soll.[1] Bei einem befristeten Überlassungsvertrag muss demzufolge der mit der Zeitarbeitsfirma abgeschlossene Leiharbeitsvertrag eine zeitgleiche Befristung des Entleihereinsatzes enthalten, damit der Zeitarbeiter für die Gesamtdauer des Dienstverhältnisses (= Zeitarbeitsvertrag) an ein und derselben betrieblichen Einrichtung desselben Entleihers eingesetzt werden kann. Wird der Leiharbeitnehmer nur für die Dauer eines bestimmten Projekts eingestellt und das Arbeitsverhältnis endet danach, ist er in Bezug auf sein befristetes Dienstverhältnis mit der Zeitarbeitsfirma auf Dauer bei demselben Entleiher eingesetzt.[2]

 
Praxis-Beispiel

Projektbezogener Zeitarbeitsvertrag

Ein in Ludwigshafen wohnhafter Ingenieur wird zur Abwicklung eines Großauftrags von einer Zeitarbeitsfirma in Stuttgart für 2 Jahre eingestellt und an eine Hoch-Tief AG zum Einsatz in der in Karlsruhe gelegenen Betriebsstätte verliehen. Der mit der Baufirma abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvertrag endet zeitgleich mit dem Arbeitsverhältnis zur Verleiherfirma.

Der Leiharbeitnehmer begründet vom ersten Tag der Tätigkeit in Karlsruhe seine erste Tätigkeitsstätte am Einsatzort des Entleihers. In Bezug auf das Leiharbeitsverhältnis ist die Tätigkeit dort nicht vorübergehend, sondern auf Dauer angelegt. Aufgrund der zeitlichen Befristung seines mit der Zeitarbeitsfirma abgeschlossenen Arbeitsvertrags muss der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses an anderen Tätigkeitsstätten eingesetzt zu werden. Die arbeitstäglichen Fahrten von seiner Wohnung in Ludwigshafen zum Büro in Karlsruhe erfolgen de...

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