Während das Europarecht im Regelfall alle Mitgliedstaaten gleichzeitig bindet und verpflichtet, ist dies bei den Doppelbesteuerungsabkommen anders. Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen zwei Staaten, in dem geregelt wird, in welchem Umfang das Besteuerungsrecht einem Staat für die in einem der beiden Vertragsstaaten erzielten Einkünfte oder für das in einem der beiden Vertragsstaat belegenen Vermögen zusteht. Ein solches Abkommen soll vermeiden, dass natürliche oder juristische Personen, die in beiden Staaten Einkünfte erzielen, in beiden Staaten – also doppelt – besteuert werden. Dabei verzichten die beteiligten Staaten unter Umständen auf die Geltendmachung von Steueransprüchen, die ihnen nach nationalem Recht zustehen.

Es bestehen darüber hinaus Abkommen auf dem Gebiet der Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs, die aktuell im Zuge der Diskussion über Steueroasen, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung in den politischen Fokus gelangten. In diesen Abkommen sind die Grundlagen und der Umfang zwischenstaatlichen Informationsaustausches zu Zwecken der Besteuerung geregelt. Außerhalb des Ertragssteuerrechts bestehen zudem Abkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern sowie Abkommen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit über 100 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Sie gehen grundsätzlich den anderen Steuergesetzen vor. Allerdings kann der Gesetzgeber jederzeit die Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens außer Kraft setzen (sog. Treaty overriding).

OECD-Muster

Doppelbesteuerungsabkommen fußen auf einem Muster, welches die OECD als Vorlage für die Verträge zweier Staaten entwickelt hat. Wichtig sind dabei die in den Kapiteln III und IV enthaltenen Verteilungsnormen, welche die Aufteilung der Besteuerungsrechte unter den beteiligten Staaten regeln. Dabei lassen sich zwei Handlungsalternativen unterscheiden, zwischen denen die Vertragsparteien wählen können: Zum einen die Anrechnungsmethode, zum anderen die Freistellungsmethode. Bei erstgenannter Vorgehensweise werden die Steuern des Quellenstaates im Ansässigkeitsstaat angerechnet, während bei der Freistellungsmethode die ausländischen Einkünfte im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung freigestellt werden. Dabei greift meist ein Progressionsvorbehalt.

Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den betroffenen Staaten, so richtet sich eine Vermeidung von Doppelbesteuerung nach den hierfür vorgesehenen Regelungen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts. Innerhalb der Europäischen Union werden die Doppelbesteuerungsabkommen durch das vorrangige EU-Recht, insbesondere das primäre EU-Recht, die Regelungen des EU-Vertrages und hier insbesondere von den europäischen Grundfreiheiten überlagert.

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