Leitsatz

1. Die VO (EWG) Nr. 404/93 mit der Beschränkung der Einfuhr von Bananen außerhalb festgesetzter Kontingente ist unbeschadet ihrer von der Welthandelsorganisation (WTO) festgestellten Unvereinbarkeit mit dem GATT weder nichtig noch wegen Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar. Das gilt unbeschadet dessen, dass die betreffenden Vorschriften der Gemeinschaft inzwischen außer Kraft getreten sind.

2. Die Rechtsprechung des EuGH, dass sich ein Zollbeteiligter auf die Bestimmungen des GATT und die dazu ergangenen Entscheidungen der Streitschlichtungsgremien der WTO über die zum GATT in Widerspruch stehende Bananenmarktordnung der Gemeinschaft nicht berufen kann, stellt unbeschadet der gegen sie erhobenen Einwände keinen ausbrechenden Rechtsakt i.S.d. diesbezüglichen Rechtsprechung des BVerfG dar. Sie gibt der deutschen Gerichtsbarkeit auch keinen Anlass, die betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften am Maßstab des GG zu messen. Denn sie gestattet es nicht, in Zweifel zu ziehen, dass der EuGH den unaufgebbaren und durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen nicht aufgegebenen, dem Rechtsstaatsgebot genügenden Rechtsschutz gewährleistet.

3. Die Nacherhebung des gesetzlich geschuldeten Zollbetrags ist auch dann zulässig, wenn die Zollbehörde diesen Betrag nicht innerhalb der Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK buchmäßig erfasst hat.

4. Von der Nacherhebung abzusehen ist nicht deshalb geboten, weil die Zollbehörde die buchmäßige Erfassung der geschuldeten Abgaben aufgrund eines Irrtums unterlassen hat, ohne in dem Beteiligten Vertrauen zu erwecken, dass er diese nicht schulde.

 

Normenkette

Art. 18 EWGVO Nr. 404/93, Art. 267 AEUV, Art. 300 Abs. 7, Art. 307 EG, Art. 220 Abs. 1, Art. 221 ZK, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3, Art. 100 GG

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen hat 1995 Bananen aus Ecuador eingeführt und dafür Einfuhrabgaben entrichtet. Dem HZA war dabei durch einstweilige Anordnung des FG aufgegeben worden, die Bananen zu einem Zollsatz von 75 ECU/t abzufertigen, obwohl die Klägerin die dafür nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABlEG Nr. L 47/1, damals anzuwenden i.d.F. der Änderungsverordnungen [EG] Nr. 3518/93, ABlEG Nr. L 320/15, und Nr. 3290/94, ABlEG Nr. L 349/105) erforderliche, im Rahmen von der Gemeinschaft festgesetzter Einfuhrkontingente zu erteilende Einfuhrlizenz nicht besaß.

Nachdem der BFH diesen Beschluss des FG aufgehoben hatte (Beschluss vom 22.08.1995, VII B 153/95 u.a., Haufe-Index 65620, BStBl II 1995, 645), hat das HZA mit dem angefochtenen Bescheid die Differenz zu dem nach Maßgabe des Regelzollsatzes von 822 ECU/t errechneten Zoll nebst Einfuhrumsatzsteuer nacherhoben.

 

Entscheidung

Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG bestätigt. Die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für eine Nacherhebung der Differenz zum Regelzollsatz liegen offenkundig vor. Die Vorschriften über die Geltung des Regelzollsatzes bei Einfuhren ohne im Rahmen der Kontingente erteilter Lizenz haben auch in Deutschland Gültigkeit: Auf ihren Widerspruch zum Welthandelsrecht kann sich das Unternehmen nicht berufen, wie der EuGH bereits vielfach entschieden hat; diese Rechtsprechung des EuGH stellt auch nicht etwa einen ausbrechenden Rechtsakt i.S.d. Rechtsprechung des BVerfG dar und gibt ebenso wenig Anlass daran zu zweifeln, dass die verfassungsrechtliche "Identität" gewahrt ist, deren Verteidigung auch gegenüber der Rechtsprechung des EuGH das BVerfG berechtigt zu sein in Anspruch nimmt.

 

Hinweis

1. Die in den neunziger Jahren von der Gemeinschaft erhobenen erdrosselnden Zölle auf südamerikanische Bananen, die außerhalb der für viele Unternehmen schwer zu erlangenden und unwirtschaftlich kleinen Kontingente eingeführt wurden, standen nach mehreren Entscheidungen der Spruchgremien der WTO im Widerspruch zum GATT 1994. In mehreren Entscheidungen hat jedoch der EuGH sowohl den Importeuren wie in den Mitgliedstaaten versagt, diesen Widerspruch gegenüber dem Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts anzuführen.

Der BFH lässt erkennen, dass er diese Rechtsprechung entgegen der im deutschen (nicht im internationalen!) Schrifttum einhellig geübten Kritik jedenfalls nicht für nicht nachvollziehbar, wahrscheinlich sogar für zutreffend hält. Denn das GATT stellt keine gleichsam dem Gemeinschaftsrecht übergeordnete Rechtsordnung dar und weder die Gemeinschaft noch sonstige Mitglieder der WTO haben dieser Hoheitsrechte, insbesondere etwa einen Teil ihrer Rechtsprechungsgewalt abgetreten. Das Verhältnis zwischen GATT und Gemeinschaftsrecht entspricht also mitnichten dem Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht! Das GATT verpflichtet die Gemeinschaft vertraglich; aber wenn sie ihre Vertragspflichten missachtet, hat das nicht etwa die Nichtigkeit der von ihr erlassenen Rechtsakte zur Folge. Daran ändert sich selbstredend nichts, wenn ein diesbezüglicher Widerspruch bzw. Vertragsbruch von den Spr...

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