Leitsatz

1. Ob der Darlehensnehmer bei Vereinbarung jährlich fallender Zinssätze zu Beginn der Vertragslaufzeit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden muss, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Darlehensnehmer im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung die anteilige Erstattung der bereits gezahlten Zinsen verlangen könnte.

2. Sollte ein solcher Erstattungsanspruch nicht bestehen, ist gleichwohl ein Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren, wenn das Darlehensverhältnis nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Vertragsparteien der Möglichkeit einer ­vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch eine solche Kündigung eine mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben. Der Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung oder -änderung kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Kreditinstitut, nahm bei einer Bank (X Bank) sog. Step-Down-Gelder auf, die mit fallenden Zinssätzen verzinst wurden. Im Streitjahr (1999) handelte es sich um ein Darlehen i.H.v. 50 Mio. DM mit einer Laufzeit vom 10.11.1999 bis 10.11.2009. Die Rückzahlung des Darlehens sollte nach den vertraglichen Vereinbarungen am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgen. Eine ordentliche Kündigung des Darlehens vor Fälligkeit wurde ausgeschlossen, die Auflösung des Darlehensvertrags sollte nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich sein.

Die Klägerin setzte die im Streitjahr geleisteten Zinszahlungen als laufende Betriebsausgaben an. Das FA war der Auffassung, die Klägerin müsse in ihrer Bilanz zum 31.12.1999 einen RAP aktivieren, weil es sich bei der Überlassung der Darlehensvaluta um eine über die Laufzeit des Darlehens gleichbleibende Leistung handele und deshalb die zu zahlenden Zinsen gleichmäßig auf die Laufzeit zu verteilen seien.

Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2009, 6 K 1918/07, Haufe-Index 2425192, EFG 2011, 61).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Es sei davon auszugehen, dass der "fallende" Zins zu jenem Teil, in dem er den auf die gesamte Vertragslaufzeit entfallenden rechnerischen Durchschnittszinssatz übersteige, als Vorleistung für die Über­lassung der Darlehensvaluta in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen sei.

Zwar sei nichts dafür ersichtlich, dass der Zins im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zurückgezahlt werden müsse. Das spreche indiziell gegen einen Vorauszahlungscharakter. Doch gebe der Sachverhalt nichts dafür her, dass es zu einer solchen vorzeitigen Beendigung des Vertrags kommen könne. Folglich hebe das eine Indiz – das "going concern-Prinzip" – das andere Indiz – den fehlenden Rückerstattungsanspruch – in streitentscheidender Weise auf. Folge: Es sei aktiv abzugrenzen.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft (abermals) die Problematik der aktiven Rechnungsabgrenzung. Es knüpft inhaltlich an die jüngste Entscheidung des BFH vom 22.6.2011, I R 7/10 (BFH/NV 2011, 1766, BFH/PR 2011, 406) an. Diese Entscheidung erging zur Abgrenzung des Bearbeitungsentgelts, das ein Darlehensnehmer bei Darlehensaufnahme zahlen muss.

2. Nunmehr hatte der BFH darüber zu befinden, ob bei einem fallenden Zinssatz für ein Darlehen der in der Anfangszeit höhere Zins bezogen auf die gesamte Darlehenslaufzeit abzugrenzen ist.

Das kann in Betracht kommen, wenn der Zins zu einem Teil – nämlich soweit er den auf die gesamte Vertragslaufzeit entfallenden rechnerischen Durchschnittszinssatz übersteigt – als Vorleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen ist.

3. Ein wesentliches Indiz für den Vorleistungs­charakter stellt es dar, wenn der Darlehensnehmer den gezahlten Zins zurückverlangen könnte, falls der Darlehensvertrag vorzeitig beendet wird. Konse­quenz ist regelmäßig die zeitanteilige Abgrenzung.

4. Doch gilt diese Regel nicht ausnahmslos. Eine Ausnahme besteht, wenn das Dauerschuldverhältnis (1.) auf mehrere Jahre zu festen Bedingungen abgeschlossen wurde, (2.) es nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und (3.) konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Vertragsparteien dieser Möglichkeit eine mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben, sie also eigentlich eher unwahrscheinlich ist.

Dann stellt die Vereinbarung über den für das einzelne Jahr zu entrichtenden Zins keinen fremdvergleichsgerechten Ausgleich über die Bewertung des Jahreswerts der empfangenen Gegenleistung dar. Folglich liegt ein "Gegenindiz" vor und es ist abzugrenzen.

5. Zweierlei bleibt noch zu beachten:

  • Eine Rückerstattung des Zinses ist strikt von einer Vorfälligkeitsentschädigung zu unterscheiden. Beides hat einen unterschiedlichen wirtschaftlichen Hintergrund. Die Vorfälligkeitsentschädigung stellt einen Schadenersatz für entgangenen Zins dar. Sie hat mit einer Rückerstattung von vorausbezahltem Zins nichts zu tun und schließt eine solche nicht aus.
  • Der fallende Zins kann Ausdr...

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