Bei der Rechnungsabgrenzung ist zwischen transitorischen und antizipativen Posten zu differenzieren. Transitorische Posten liegen vor, wenn Einnahmen bzw. Ausgaben vor dem Abschlussstichtag anfallen, aber Erträge bzw. Aufwendungen für einen Zeitpunkt danach darstellen. Hierfür sind Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren. Davon zu unterscheiden sind Erträge und Aufwendungen, die vor dem Abschlussstichtag anfallen, aber erst danach zu Einnahmen oder Ausgaben führen. Diese antizipativen Posten werden bilanziell in Form von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten abgebildet.

 
Praxis-Beispiel

Einnahmen bzw. Ausgaben vor dem Abschlussstichtag

Ein bilanzierender Einzelhandelsunternehmer betreibt sein Geschäft in 2 Filialen in gemieteten Geschäftsräumen. Sein Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Die Mietverträge für beide Filialen sehen jeweils vierteljährliche Zahlungen vor, wobei die Miete für die

  • Filiale A i. H. v. 12.000 EUR je Vierteljahr nachschüssig zu zahlen und im Jahr 02 am 1.2. für die letzten 3 Monate fällig ist;
  • Filiale B in Höhe von 9.000 EUR je Vierteljahr vorschüssig zu zahlen und im Jahr 01 am 1.12. für die kommenden 3 Monate fällig ist.

Im Fall von Filiale A entsteht im Jahr 01 Mietaufwand i. H. v. 8.000 EUR, der erst im Jahr 02 gezahlt wird. Hierbei handelt es sich um einen antizipativen Posten. Diesen hat der Unternehmer zu erfassen, indem er einerseits den Mietaufwand von 8.000 EUR und andererseits in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit bucht.

Im Fall von Filiale B fallen die Mietausgaben für 2 Monate vor den entsprechenden Mietaufwendungen an. Dieser transitorische Vorgang löst die Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens aus. Der Unternehmer bucht zunächst zum 1.12. die Zahlung von 9.000 EUR gegen das Konto Mietaufwand. Im Zuge der Jahresabschlussarbeiten bildet er einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 6.000 EUR; auch hier wird der Mietaufwand als Gegenkonto verwendet, sodass dieses – isoliert betrachtet – lediglich 3.000 EUR beträgt. Der Rechnungsabgrenzungsposten wird im Jahr 02 aufgelöst und mindert auf diese Weise den Gewinn.

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht, dass Rechnungsabgrenzungsposten zeitanteilig zu bilden sind. Dementsprechend sind Aufwendungen wie Versicherungsprämien und Kraftfahrzeugsteuer, die für ein Jahr vorausgezahlt werden, grundsätzlich taggenau bzw. monatsbezogen abzugrenzen.

 
Praxis-Beispiel

Zeitliche Abgrenzung

Im April 01 wird Kraftfahrzeugsteuer i. H. v. 240 EUR für den Zeitraum 1.4.01 bis 31.3.02 gezahlt. Im Jahresabschluss auf den 31.12.01 sind daher 3/12 des gezahlten Betrags, d. h. 60 EUR, in einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen.

Steuerrecht: Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auch in Fällen geringer Bedeutung

Wie vorstehendes Beispiel mit dem vergleichsweise geringen abzugrenzenden Betrag von 60 EUR verdeutlicht, kann die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten in größeren Unternehmen mit einer Vielzahl betroffener Geschäftsvorfälle sehr aufwendig werden. Nachdem der BFH[1] eine Vereinfachungsregelung, etwa die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten erst nach Überschreiten der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter, abgelehnt hat, hat der Gesetzgeber reagiert und mit dem Jahressteuergesetz 2022[2] ein Wahlrecht für die Bildung aktiver und passiver Rechnungsabgrenzungsposten in § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG eingeführt. Das Wahlrecht ist nach § 52 Abs. 9 Satz 1 EStG erstmals für nach dem 31.12.2021 endende Wirtschaftsjahre, also für das Wirtschaftsjahr 2022 bzw. das abweichende Wirtschaftsjahr 2021/2022 anzuwenden. Es ist wie folgt ausgestaltet:

  • Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme den für geringwertige Wirtschaftsgüter geltenden Betrag von derzeit 800 EUR nicht übersteigt. Die Betragsgrenze wurde dynamisch gefasst, erhöht sich also automatisch, wenn die Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter angehoben wird.
  • Das Wahlrecht muss einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen ausgeübt werden.

Die einheitliche Ausübung des Wahlrechts soll nach den Gesetzesmaterialien[3] sicherstellen, dass nicht einerseits gewinnmindernde passivische Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden, aber andererseits auf die gewinnerhöhende Aktivierung von Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet wird. Demnach könne "das Wahlrecht zum Verzicht auf eine RAP-Bildung nur einheitlich für sämtliche Abgrenzungsfälle und damit für alle Einnahmen und Ausgaben ausgeübt werden".

Aus Gesetzestext und -materialien lässt sich damit m. E. ableiten, dass das Wahlrecht bei abgrenzungsrelevanten Einnahmen und Ausgaben von in jedem Einzelfall weniger als 800 EUR nur nach dem Motto "ganz oder gar nicht" ausgeübt werden kann. Liegen dagegen abgrenzungsrelevante Einnahmen und/oder Ausgaben von bis zu 800 EUR und mehr als 800 EUR vor, müssen aktivische und/oder passivische Rechnungsabgrenzungsposten für alle Beträge über 800 EUR gebildet werden, ohne dass hierdurch das Wahlrecht für Positionen mi...

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