6.1 Grundlagen

Handlungsalternativen bewerten

Sollen Entscheidungen unter Unsicherheit (Risiko) getroffen werden, müssen die Handlungsalternativen auch hinsichtlich ihres Risikogehalts bewertet werden. Risikomaße ermöglichen den Vergleich unterschiedlicher Risiken mit unterschiedlichen Charakteristika, Verteilungstypen, Verteilungsparametern (wie beispielsweise Schadenshöhe).[1] Sie bilden eine Häufigkeits- oder Wahrscheinlichkeitsverteilung auf eine (reelle) Zahl ab, mit der man leicht rechnen kann.

Das traditionelle Risikomaß der Kapitalmarkttheorie (CAPM, Markowitz-Portfolio) stellt die Varianz bzw. die Standardabweichung – als Wurzel der Varianz – dar. (Die Standardabweichung berechnet sich mit dem Erwartungswert wie folgt : .) Varianz und Standardabweichung sind Volatilitätsmaße, d. h., sie quantifizieren das Ausmaß der Schwankungen einer risikobehafteten Größe um die mittlere Entwicklung (Erwartungswert). Der Variationskoeffizient ist das Verhältnis von Standardabweichung zum Erwartungswert und drückt die Planungssicherheit aus.

Varianz und Standardabweichung

Varianz bzw. Standardabweichung sind relativ einfach zu berechnen und leicht verständlich. Allerdings berücksichtigen sie sowohl die negativen als auch die positiven Abweichungen vom erwarteten Wert. Investoren sind meistens aber eher an den negativen Abweichungen interessiert. Sogenannte Downside-Risikomaße beruhen dagegen auf der Idee, dass das (bewertungsrelevante) Risiko als mögliche negative Abweichung von einem erwarteten Wert angesehen wird, und berücksichtigen somit lediglich diese. Hierzu gehören beispielsweise der Value at Risk, der Conditional Value at Risk oder die untere Semivarianz (s. Abschnitt 6.2).

Lageabhängigkeit

Risikomaße lassen sich auf verschiedene Art und Weise klassifizieren, beispielsweise nach der Lageabhängigkeit. Lageunabhängige Risikomaße (wie beispielsweise die Standardabweichung) quantifizieren das Risiko als Ausmaß der Abweichungen von einer Zielgröße. Lageabhängige Risikomaße, wie beispielsweise der Value at Risk, hingegen sind von der Höhe des Erwartungswerts abhängig. Häufig kann ein solches Risikomaß als "notwendiges Eigenkapital" bzw. "notwendige Prämie" zur Risikodeckung angesehen werden.

Dabei können die beiden Arten ineinander umgeformt werden. Wendet man beispielsweise ein lageabhängiges Risikomaß nicht auf eine Zufallsgröße (z. B. Gewinn), sondern auf eine zentrierte Zufallsgröße an, so ergibt sich ein lageunabhängiges Risikomaß.[2] Da in die Berechnung von lageabhängigen Risikomaßen auch die Höhe des Erwartungswerts einfließt, können diese auch als eine Art risikoadjustierter Performancemaße interpretiert werden.

Der wesentliche Vorteil eines lageunabhängigen Risikomaßes besteht darin, dass hier die "Höheninformation" (erwartetes Ergebnis) und die "Risikoinformation" (Abweichung) klar getrennt werden, sodass die Achsen in einem Rendite-Risiko-Portfolio unabhängig voneinander sind. Lageabhängige Risikomaße entsprechen dagegen mehr dem intuitiven Risikoverständnis, da hier bei ausreichend hohen "erwarteten Renditen" die möglichen Abweichungen an Bedeutung verlieren, da sie nicht mehr so stark zu einem möglichen Unterschreiten der Zielgröße (z. B. erwartete Mindestrendite) führen.

[1] Vgl. Gleißner, 2006 sowie Albrecht/Maurer, 2002.
[2] Vgl. hierzu auch die Axiomensysteme zu Risikomaßen von Artzner/Delbaen/Eber/Heath, 1999, Pedersen/Satchell, 1998 sowie Rockafellar/Uryasev/Zabarankin, 2002.

6.2 Weitere spezielle Risikomaße

Value at Risk (VaR)

Der Value at Risk (VaR) als lageabhängiges Risikomaß berücksichtigt explizit die Konsequenzen einer besonders ungünstigen Entwicklung für das Unternehmen. Er ist definiert als Schadenshöhe, die in einem bestimmten Zeitraum ("Halteperiode", z. B. ein Jahr) mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit p (z. B. aus vorgegebenem Zielrating) nicht unterschritten wird.[1] Formal gesehen ist ein Value at Risk somit das negative Quantil einer Verteilung:[2]

Abb. 7: Value at Risk, Deviation Value at Risk und Conditional Value at Risk

Das lageunabhängige Gegenstück zum Value at Risk ist der Deviation Value at Risk (DVaR oder auch relativer VaR), der sich als Value at Risk von X – E(X) ergibt.

Eigenkapitalbedarf

Der Value at Risk – und der Eigenkapitalbedarf EKB, der als VaR bezogen auf den Unternehmensgewinn aufgefasst werden kann[3] – ist ein Risikomaß, das nicht die gesamten Informationen der Wahrscheinlichkeitsdichte berücksichtigt. Welchen Verlauf die Dichte unterhalb des gesuchten Quantils () nimmt, also im Bereich der Extremwirkungen (Schäden), ist für den Eigenkapitalbedarf unerheblich. Damit werden aber Informationen vernachlässigt, die von erheblicher Bedeutung sein können.[4], [5]

Shortfall-Risikomaße

Im Gegensatz dazu berücksichtigen die Shortfall-Risikomaße – und insbesondere die sog. Lower Partial Moments (LPMs) – gerade die oft zur Risikomessung interessanten Teile der Wahrscheinlichkeitsdichte von minus unendlich bis zu einer gegebenen Zielgröße (Schranke c). Das Risikoverständnis entspricht der Sichtweise eines Bewerters, der die...

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