Zusammenfassung

  • Der jährliche Budgetprozess wird in den meisten Unternehmen als notwendiges Übel wahrgenommen und ist für die beteiligten Fachbereiche häufig eine leidvolle Prozedur.
  • Die mangelnde Akzeptanz hat ihre Ursachen einerseits in Dauer und Aufwand des Prozesses und andererseits in der inhaltlichen Qualität der Arbeitsergebnisse, die gerade außerhalb der Finanzbereiche als wenig relevant erachtet werden.
  • Der Budgetierungsprozess wird im Unternehmen besser verstanden, wenn verschiedene Fachbereiche aktiv gestaltend mitwirken. Ein klar erkennbarer Nutzen von Budgets erhöht die Bereitschaft, das Controlling bei der Optimierung zu unterstützen und sorgt für Umsetzungsdisziplin.
  • Der Budgetierungsprozess muss pragmatisch gestaltet sein und die Prozessdauer auf ein unbedingt notwendiges Maß reduziert werden. Daneben ist eine hohe Relevanz und Handlungsorientierung für das operative Geschäft gefordert.
  • Der Beitrag berichtet über ein Verbesserungsprogramm unter Einsatz von Lean-Prinzipien. Er zeigt auf, wie die Dauer des Budgetprozesses halbiert werden kann. Zusätzlich wird die Relevanz der Budgetierung durch eine bessere Verknüpfung mit der Strategie gesteigert.
  • Strategische Budgets und Budgetblätter für strategische Maßnahmen werden als pragmatische Werkzeuge vorgestellt.
  • Darüber hinaus zeigt ein kurzer Ausblick am Ende den Nutzen der Digitalisierung für besseres Forecasting mit mathematischen Methoden.

1 Budgetierung auf dem Prüfstand

1.1 Ausgangssituation und Anforderungen

In diesem Beitrag wird eine pragmatische Verbesserung der Budgetierung im Rahmen eines Projektes bei RECARO Aircraft Seating dargestellt. Ausgangspunkt für das Verbesserungsprojekt war eine verbreitete Unzufriedenheit mit dem Budgetprozess. Der Controllingbereich war mit einem sehr hohen Aufwand belastet, da die Fachbereiche top-down gesetzte Rahmenvorgaben (Targets) zu wenig beachteten. So waren in jedem Jahr umfangreiche Iterationen erforderlich. Diese führten dazu, dass ein komplettes Unternehmensbudget erst spät im Jahr vorlag und so hoher Zeitdruck zur Vorbereitung der Genehmigungsprozesse in der Holding und vor der Genehmigung im Beirat bestand. Auch die Fachbereiche waren mit dem mehrfachen Überarbeitungsaufwand unzufrieden. Eine Ursache war die Unklarheit darüber, welche Themen einer (strategischen) Weiterentwicklung im Rahmen der Targets in das operative Budget eingeplant werden mussten bzw. durften.

Die wesentlichen Herausforderungen wurden über eine Befragung der beteiligten Führungskräfte und des Controlling-Teams ermittelt. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Fehlende Abstimmung von Strategie und Budget
  • Ziele sind nicht SMART (specific, measurable, achievable, reasonable, time bound)
  • Zu viele Iterationsschleifen im Budgetprozess
  • Zu lange Dauer des Budgetprozesses

1.2 Das Unternehmen

Die Marke RECARO steht seit mehr als 100 Jahren für höchste Kompetenz in Bezug auf mobiles Sitzen. Die Sitzlösungen zeichnen sich durch eine optimale Kombination von Funktion, Ergonomie und Ästhetik aus. Zur RECARO Group gehören aktuell neben der RECARO Holding die selbstständig operierenden Spartengesellschaften RECARO Aircraft Seating (Fluggastsitze), RECARO eGaming (Sitzlösungen für eGaming/eSports) und Growag (Sitze für Personenzüge). Der konsolidierte Gruppenumsatz belief sich 2022 auf fast 450 Mio. EUR. Die Gruppe beschäftigt weltweit rund 2.500 Mitarbeiter. Das Geschäft mit Automobilsitzen und mit Kindersitzen bzw. Kinderwägen wird durch Lizenznehmer betrieben.

2 Einordnung der Budgetierung in das Unternehmensführungsmodell

Das Unternehmensführungsmodell von RECARO gliedert sich ausgehend von einem normativen Rahmen (Unternehmensphilosophie, Markenidentität) über ein strategisches Zielsystem bis hinein in individuelle Zielvereinbarungen (Cockpits). Durch die Integration in Zielvereinbarungen soll eine Umsetzung der strategischen Maßnahmenprogramme sichergestellt werden. Lean Management ist unmittelbar in das Unternehmensführungsmodell integriert. RECARO hat seit vielen Jahren Lean-Prinzipien und Shopfloor-Management im primären Wertstrom etabliert. Seit 2013 ist die systematische Entwicklung zu einem "Lean Enterprise" auch in den unterstützenden Prozessen ein Kernelement der Strategie.

Der Strategieprozess von RECARO folgt einem klassischen Muster (s. Abb. 1). Auf die Analyse der strategischen Herausforderungen (Markt, Technologie, Wettbewerb) folgen die Identifikation von Strategieoptionen und die Analyse/Überarbeitung des Geschäftsmodells.[1] Das strategische Zielsystem baut auf dem Konzept von Strategy Maps und Balanced Scorecards auf, das eine durchgängige Betrachtung von strategischen Zielen, Messgrößen und strategischen Maßnahmenprogrammen zum Inhalt hat.[2] Strategische Programme aus der Unternehmensstrategie werden systematisch kaskadiert in Funktional- und Standortstrategien.[3]

Die finanzielle Mehrjahresplanung (operative Planung) startet von Markt und Kunde kommend mit der Vertriebsplanung. Auf dieser Basis können finanzielle Eckwerte für andere Teile des Wertschöpfungsprozesses geplant werden. Wie die einzelnen Teilplanungen aufeinanderfolgen, zeigt schematisch Abb. 2.

Während die Top-down-Werte ...

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