Die Prozesskostenrechnung stellt zum einen detaillierte Informationen bereit, um die Kostenentstehung der indirekten Bereiche besser verstehen, planen und ggf. verändern zu können. Zum anderen liefert sie Daten für die mittelfristige Gestaltung der Prozesse für Marktleistungen und die sich anschließende Diskussion über die Wirtschaftlichkeit von Kundenbeziehungen, Produkten und produktnahen Leistungen.

3.2.1 Einsatz in der Gemeinkostenplanung und -steuerung

Neben oder im Anschluss an die Neugestaltung von Prozessen kann die Prozesskostenrechnung auch für eine operative bis mittelfristige Gemeinkostenplanung und -steuerung eingesetzt werden. Eine operative Planung und Budgetierung über Prozesse erlauben eine detaillierte Planung der Aktivitäten und deren Kosten. Damit können unternehmensinterne Ressourcen besser zugewiesen werden, was zu einer höheren Wirtschaftlichkeit beiträgt. Statt beispielsweise der Einkaufsabteilung ein Plankostenbudget zuzuweisen, von dem man mangels Prozessinformationen nicht genau weiß, wofür das Geld verwendet wird, beginnt man mit der Planung der Prozessmengen (s. Abb. 4).

Abb. 4: Operative Planung über Prozessmengen und -kosten[1]

Die Prozessmengen bilden die Leistungen ab, die eine Einkaufsabteilung zu erbringen plant, d. h. beispielsweise die Zahl abgearbeiteter Bestellungen oder durchgeführter Abrufe aus Rahmenverträgen. Die einfachste Form der Budgeterstellung plant dagegen nur die Eingangsgrößen wie Personal- und Sachkosten, nicht aber, wofür diese Ressourcen eingesetzt werden sollen. Die prozessorientierte Budgetierung beginnt bei der Frage der zu erbringenden Leistungen und ermittelt auf deren Basis das nötige Budget. Dies ist der zentrale Unterschied und Vorteil.

 
Achtung

Kostensenkungen im Budget stehen oft nur auf dem Papier

Hier zeigt sich auch eine Gefahr der Prozesskostenrechnung. Die Personal- und Sachkosten, die in die Prozesskosten eingehen, sind i. d. R. nicht variabel, sondern fixe oder sprungfixe Gemeinkosten. Die Leerkapazität (Istkosten Basisjahr – Budgetansatz Planjahr, vgl. Abb. 4) bedeutet, dass Mitarbeiter nicht ausgelastet sind. Die entsprechenden Kosten existieren jedoch noch, auch wenn dies aus dem neuen Budgetansatz nicht hervorgeht. Die Leerkapazität sollte zum Nachdenken veranlassen, welche Aufgaben der Einkauf noch übernehmen kann oder wo die entsprechenden Mitarbeiter sinnvoll anderweitig beschäftigt werden können.

Die prozessorientierte Planung der Gemeinkostenbereiche kann die bestehende Absatz- und Produktionsplanung ergänzen, um zu einer durchgängigen, outputorientierten Gesamtplanung zu gelangen[2]. Deren Anforderung an den Umfang von Prognosen, die Informationsverarbeitung und den Planungsaufwand ist jedoch erheblich.

[1] Rieg, 2008, S. 94.
[2] Vgl. Mayer/Essiger, 2004, S. 150 ff. Zum Ablauf einer prozessorientierten Planung vgl. Rieg, 2008, S. 95.

3.2.2 Einsatz in der Gestaltung der Marktleistungen

Neben dem Gemeinkostenmanagement ist der Einsatz der Prozesskostenrechnung im Rahmen der Produktkalkulation am bedeutendsten. Durch die detaillierte Zurechnung von Prozesskosten auf Produkte, die diese in Anspruch nehmen, kann eine genauere Kalkulation erreicht werden als durch eine pauschale Zuschlagsrechnung (sog. Allokationseffekt). Damit wird auch deutlicher ersichtlich, welche Produkte bspw. aufgrund komplexer Logistik oder Kundenbetreuungsprozesse erheblich mehr Prozesskosten induzieren als andere (sog. Komplexitätseffekt). Da viele Prozesse nicht produktbezogen, sondern auftrags- oder kundenbezogen sind, wird es möglich, die Prozesskosten je Stück durch eine größere Herstellmenge zu reduzieren (sog. Degressionseffekt).

Die Integration der Prozesskostenrechnung in eine bestehende Kostenrechnung erlaubt zudem eine um Prozesskosten ergänzte Deckungsbeitragsrechnung. Auf deren Grundlage wird ersichtlich, welche Deckungsbeiträge durch Produkte und Kunden entstehen, nachdem anteilige Prozesskosten saldiert wurden. Somit können Entscheidungen über das Produkt- und Kundenportfolio unterstützt werden, wobei hier nicht mehr nur die Effizienz, sondern auch die Effektivität betroffen ist.

Prozesssteuerung

Um die Unternehmensprozesse dauerhaft wirtschaftlich zu betreiben bzw. zu verbessern, wird in der Literatur ein prozessorientiertes Performance Measurement vorgeschlagen. Eine kontinuierliche Messung, Bewertung und Visualisierung der Kosten-, Zeit- und Qualitätskriterien der Prozesse sollen eine ebenso kontinuierliche Verbesserung erlauben[1].

Problemfelder

Die Vorgehensweise bei der Ermittlung und Nutzung der Prozesskosteninformationen erscheint auf den ersten Blick plausibel und gut nachvollziehbar. Sie basiert jedoch in der oben beschriebenen Form auf einer mehrfachen Schlüsselung von Gemeinkosten sowie der Annahme, dass sich Prozesse und Kostentreiber klar abgrenzen und identifizieren lassen. Beides ist jedoch eher von Plausibilitätsüberlegungen geprägt. Bis heute fehlen klare produktions- und kostentheoretische Begründungen dafür. Die Gemeinkostenschlüsselung kann zu Fehlurteilen führen, falls fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass eine sinkende Prozessmenge...

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