2.1 Ermittlung von Prozesskosten

2.1.1 Hauptprozesse festlegen

Hat man das Ziel und den Untersuchungsbereich festgelegt, ist der 1. Schritt zur Ermittlung der Prozesskosten die Prozessanalyse[1]. Sie beginnt mit der Festlegung der Hauptprozesse. Letztere sind solche, die meist über Kostenstellengrenzen hinweg gehen und wesentliche Leistungen erzeugen. Durch diesen Schritt erhält man bei der nachfolgenden Tätigkeitsanalyse und Erarbeitung der Teilprozesse in den Kostenstellen eine Orientierung, auf welche Aktivitäten besonders geachtet werden sollte.

Tätigkeitsanalyse und Teilprozessermittlung

Anschließend sind in den Kostenstellen des Untersuchungsbereichs diejenigen Tätigkeiten zu identifizieren, die für die Hauptprozesse eine Teilleistung erbringen (s. Abb. 2). Die Teilprozesse sollten allerdings nicht zu kleinteilig sein, da ansonsten der Analyseaufwand sehr groß wird und die Gefahr besteht, dass sich durch laufende Änderungen auf der sehr detaillierten Ebene das Prozessmodell häufig ändern muss. Für die Analyse genügt es aus Erfahrung, nur Prozesse aufzunehmen, deren Tätigkeitsaufwand größer 1/10 Mitarbeiterjahr ist. Das entspräche bei einer Jahresarbeitszeit von 1.600 Stunden mehr als 160 Stunden pro Jahr, also etwa 3 Stunden pro Woche im Durchschnitt.

Abb. 2: Beispiel zu Teil- und Hauptprozessen[2]

[1] Vgl. zur Prozessanalyse Brokemper/Gleich (1999) sowie Homburg/Zimmer, 1999.
[2] Rieg 2008, S. 91.

2.1.2 Kostentreiber festlegen

Jedem Teil- und Hauptprozess muss vor der Kostenermittlung ein "Kostentreiber" (cost driver) zugewiesen werden. Der Kostentreiber ist diejenige Größe, die die Höhe der Kosten des Prozesses beeinflusst. Da es sich um sich wiederholende (repetitive) Prozesse handelt, nimmt man die Anzahl der durchgeführten Prozesse als Kostentreiber. So wäre beispielsweise in einer Einkaufsabteilung beim Teilprozess "Bestellung auslösen" der Kostentreiber die "Anzahl ausgelöster Bestellungen". Die Kosten der Bestellung hängen somit nicht von der Höhe des Materialwerts ab, wie das die Zuschlagskalkulation annimmt. Sie werden vielmehr durch die Komplexität und Zahl der Bestellvorgänge bestimmt. Jedem Kostentreiber wird damit eine Menge bzw. die Zahl der Durchführungen zugewiesen.

2.1.3 Kosten zurechnen

Die Kostenzurechnung auf Prozesse basiert typischerweise auf einem "Aktenbearbeitungsmodell", d. h. auf der Vorstellung, dass eine Aufgabe auf dem Schreibtisch einer Mitarbeiterin landet, sie diese bearbeitet und an den nächsten Arbeitsplatz weiterleitet. Die Kosten der Bearbeitung des Prozesses ergeben sich dann aus den Kosten der Arbeitszeit der Mitarbeiterin.[1] In diese Kosten fließen nicht nur die Personal- und Personalnebenkosten ein, sondern auch alle relevanten Sachkosten des Arbeitsplatzes (Raum, Ausstattung, EDV etc.). Die Kostenzurechnung benötigt somit 2 Daten: die benötigte Arbeitszeit für einen Prozess und die Sach- und Personalkosten.

[1] Bei stark IT-gestützten Prozessen müssen zusätzlich laufende Kosten sowie IT-Bereitschaftskosten auf die Prozesse zugerechnet werden, vgl. Tulowitzki, 2000.

2.1.4 Kapazitätsermittlung und Kosten

Die benötigte Arbeitszeit je Teilprozess muss durch Interviews, Befragungen oder durch andere Zeitstudien erhoben werden. Dazu teilt man die gesamte verfügbare Arbeitszeit in einer Abteilung auf die dort ablaufenden Prozesse auf. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Kapazitätszuordnung, da Arbeitskapazitäten auf jeden Prozess zugeordnet werden. Dies soll nachfolgend anhand einer Beispielrechnung verdeutlicht werden(s. Abb. 3): Die gesamte Arbeitskapazität von 11 Mitarbeiterjahren (MJ) teilt sich auf 4 Teilprozesse auf. Für die betrachtete Abteilung wurden insgesamt Sach- und Personalkosten von 1,1 Mio. EUR ermittelt. Somit kostet jedes Personenjahr im Schnitt 100.000 EUR p. a.

 
Achtung

Durchschnittskosten verwenden

Für Prozesse werden nicht die tatsächlichen Personalkosten für einzelne Personen angesetzt, auch wenn man wissen sollte, dass nur diese Person an dem Prozess arbeitet. Hier genügt eine Durchschnittsbetrachtung unabhängig von konkreten Personen. Eine Zurechnung auf einzelne Personen könnte eine individuelle Leistungsmessung erlauben, welche mitbestimmungspflichtig wäre.

Verdichtung zu Hauptprozessen

Die Kostenzurechnung zu Hauptprozessen erfolgt über die anteilige Zurechnung der eben ermittelten Teilprozesskosten. Welche Teilprozesse zu welchem Anteil (prozentual oder über Mengenanteile) in welchen Hauptprozess eingehen, kann nur in der praktischen Anwendung erarbeitet werden.

Abb. 3: Ermittlung Teil- und Hauptprozesskosten[1]

[1] Vgl. Rieg, 2008, S. 92.

2.2 Verwendung von Prozesskosten

Prozesskostenbasierte Produktkalkulation

Ein Anwendungsfall der Prozesskostenrechnung ist die Produktkalkulation. Ziel ist eine Verfeinerung der Kalkulation, indem die durch das Produkt in Anspruch genommenen Prozesse auf eine Produkteinheit zugerechnet werden[1]. Damit wird die pauschale Zurechnung von Gemeinkosten mit ihren negativen Effekten vermieden. Allerdings lassen sich nicht alle Gemeinkosten als Prozesskosten abbilden.[2] Sie kann Anstoß für das Management der Gemeinkosten sein, sofern ein Kostensenkungsbedarf besteht. Ebenso wirkt eine Veränderung der...

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