Entstehung der Prozesskostenrechnung

Als ein Instrument des Gemeinkostenmanagements wird häufig die Prozesskostenrechnung vorgeschlagen. Über Jahrzehnte gestiegene Kosten der fertigungsfernen indirekten Bereiche[1] ließen den Wunsch nach einem Instrument wachsen, das sich nicht damit begnügt, Gemeinkosten pauschal als Zuschlagssatz zu verrechnen, sondern das es erlaubt, deren Kosten und Wertschöpfung genauer zu untersuchen und zu beeinflussen. Da sich die Prozesskostenrechnung explizit auf die nicht direkt mit der Produktfertigung verbundenen Prozesse richtet, trifft auf sie das obige Abgrenzungsproblem "direkte/indirekte Kosten" in der Praxis weniger zu.

Die traditionelle Zuschlagskalkulation kann diesem Anstieg der Gemeinkosten nicht Rechnung tragen, da die Gemeinkosten im Ganzen zugerechnet werden, unabhängig davon, ob die Produkte alle diese Gemeinkosten auch auslösen. Die Folge können Fehlurteile sein.

 
Achtung

Fehlurteile durch Zuschlagskalkulation

Die Zuschlagskalkulation kann dazu führen, immer mehr Produktvarianten einzuführen. Ursache ist der Irrglauben, dadurch würden die Gemeinkosten pro Produkt tendenziell sinken (economies of scale). Produktvarianten haben jedoch eher den gegenteiligen Effekt: Für jede Variante sind zusätzliche Entwicklungstätigkeiten erforderlich, es sind oft spezielle Teile oder Bearbeitungsschritte nötig, ein besonderer Versand, spezielle Qualitätsprüfungen und eigenständige Planungs- und Steuerungsaufgaben können auftreten. Dies alles führt zu steigenden Gemeinkosten und das bei geringeren Stückzahlen, da Varianten als besondere Produkte einen kleineren Käuferkreis ansprechen als das Grundprodukt.

Grundzüge der Prozesskostenrechnung

Die Prozesse, die eine Prozesskostenrechnung betrachtet, sind zunächst einmal sachlogisch zusammenhängende Ketten von Aktivitäten, die sich häufig gleichartig wiederholen. Einmalige Aktivitäten wie etwa ein Projekt oder nur schwer zu standardisierende Einzelentscheidungen über den Zukauf eines Unternehmens sind daher von der Analyse ausgeschlossen.

Die Merkmale der in der Prozesskostenrechnung betrachteten Prozesse sind:[2]

  • Ausrichtung auf einen für den Betriebszweck relevanten Output, beispielsweise eine Bestellung, eine Rechnungsprüfung oder eine Kommissionierung,
  • Möglichkeit der zeitlichen (Start, Ende, Durchlaufzeiten), qualitativen (Prozessqualität) sowie kostenmäßigen Zuordnung von Kenngrößen.

Die Ermittlung der Prozesskosten erfolgt nach Horváth und Mayer über die Zuordnung von Arbeitskapazitäten auf Prozesse und deren Bewertung mit einem Kostensatz. Die Prozesskostenrechnung ersetzt nicht die bisherige Struktur der Kostenrechnung, sondern ergänzt und detailliert sie (s. Abb. 1)[3].

Abb. 1: Prozesskostenrechnung im System der Kostenrechnung[4]

[1] Die Gründe für gestiegene "indirekte" Kosten liegen vermutlich in der stark gestiegenen Automatisierung der Fertigung sowie in der Zunahme planerischer, steuernder und überwachender Tätigkeiten zu Lasten ausführender Aktivitäten, s. dazu Coenenberg/Fischer/Günther (2009), S. 145 ff.
[2] Vgl. Horváth/Mayer (1993), S. 16.
[3] Die anglo-amerikanische Kostenrechnung kennt keine ausgearbeitete Kostenstellenrechnung, sodass das dortige activity-based costing-System anders vorgeht. Zu einem Vergleich s. Kellermanns/Islam, 2004 sowie Schweitzer/Küpper, 2011, S. 364 ff.
[4] Bischof (1997), S. 52.

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