Leitsatz

1. Eine Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind.

2. Ein nach § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft ist für die Parteien bindend. Der außerhalb der Veräußerungsfrist liegende Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung ist insoweit für die Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unerheblich.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 158 Abs. 1, § 160, § 161, § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger veräußerte ein mit Vertrag vom 3.3.1998 angeschafftes Grundstück mit Vertrag vom 30.1.2008. Die volle Wirksamkeit des Vertrags stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die zuständige Stelle die Entwidmung des Grundstücks (Eisenbahngelände) erklärte. Dies geschah am 10.12.2008. Unabhängig davon war für die Zahlung des Kaufpreises und den Gefahrübergang ein festes Datum vereinbart. Beides fand auch vor dem Eintritt der Bedingung statt.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH das stattgebende Urteil des FG (FG Münster, Urteil vom 22.5.2013, 10 K 15/12 E, Haufe-Index 5337189, EFG 2013, 1336) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Streitig war, ob der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung eines Grundstücks weniger oder mehr als zehn Jahre betrug (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

1. Die Frage ist deswegen nicht leicht zu beantworten, weil die Begriffe Anschaffung und Veräußerung eher den wirtschaftlichen Vorgang bezeichnen als dass sie einen exakten Zeitpunkt vorgeben, wie er für die Berechnung eines Zeitraums benötigt wird.

a) Schon zivilrechtlich kommt eine ganze Reihe von Zeitpunkten in Betracht. Zunächst erfordert jeder Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang bekanntlich den Abschluss von zwei Verträgen, dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem dinglichen Verfügungsgeschäft. Beide können, müssen aber zeitlich nicht zusammenfallen. Gerade bei Grundstücksgeschäften kommt die getrennte Beurkundung durchaus in Betracht. Darüber hinaus erfordert die Abwicklung von Grundstücksgeschäften (Zug um Zug) häufig eine ausgeklügelte Abfolge von Teilschritten, die bis zur Eintragung des Erwerbers im Grundbuch viele denkbare Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Zeitraums bieten könnten.

b) Wirtschaftlich betrachtet – und damit dem Steuer- bzw. Bilanzrecht vielleicht eher entsprechend –, könnte, wie z.B. bei § 17 EStG, auf den Realisationszeitpunkt abgestellt werden. Der Anspruch auf die Gegenleistung ist danach realisiert, wenn die Leistung erbracht ist.

c) Im Anwendungsbereich von § 23 EStG hat sich die Rechtsprechung bekanntlich anders als z.B. bei § 17 EStG für den Zeitpunkt entschieden, in dem die obligatorischen (d.h. schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäfte abgeschlossen wurden. Aber auch dieser Zeitpunkt ist, wie der Streitfall zeigt, nicht eindeutig.

d) Zwar wird ein Vertrag im Normalfall mit seinem Abschluss wirksam. Die Wirksamkeit kann von den Parteien jedoch hinausgeschoben werden. Das ist z.B. der Fall, wenn der Eintritt der Wirksamkeit nach dem Willen der Parteien von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen soll (aufschiebende Bedingung; § 158 Abs. 1 BGB). Kommt es in einem solchen Fall steuerlich auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts an? Dafür hatte der Kläger plädiert; das FA hielt dagegen den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für maßgeblich.

2. Zivilrechtlich ist ein (aufschiebend) bedingter Vertrag nicht etwa wirkungslos.

a) Es entspricht der heute ganz h.M. im Zivilrecht, dass durch die Vereinbarung einer Bedingung zwar den Eintritt der vollen Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beeinflusst werden kann, dass sich die Parteien dadurch aber bereits wirksam binden. Der Vertrag entfaltet trotz Aufschubs der vollen Wirksamkeit bereits Wirkungen. So kann sich keine Seite mehr einseitig vom Vertrag lösen oder dessen Inhalt verändern. Vereinbarte Fälligkeitstermine müssen eingehalten werden, auch wenn die Bedingung noch nicht eingetreten ist.

b) Anders ist die Rechtslage bei einem schwebend unwirksamen Geschäft (z.B. beim Abschluss eines Vertrags durch einen vollmachtlosen Vertreter). Hier hängt der Eintritt jeglicher Rechtswirkungen davon ab, dass der Vertretene das Geschäft genehmigt, wozu er nicht verpflichtet ist. Kommt es nicht dazu, bestehen zwischen dem Vertretenen und der anderen Seite keinerlei rechtliche Bindungen; in Betracht kommt nur der Vertreter.

c) Der BFH musste deshalb entscheiden, ob es auf die volle Wirksamkeit des Vertrags oder die Bindungswirkung ankommt.

3. Der BFH hat auf die Bindungswirkung des obligatorischen Vertrags abgestellt. Sie ist zivilrechtlich zu bestimmen. Bei einem bedingten Vertrag tritt sie mit dessen Abschluss ein. Das heißt, die übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien, mit denen sie sich unbeschadet der aufschiebenden Wirkung des Vertrags untereinander bereits binden, müssen innerhalb des maßgebenden Zeitraums zugegang...

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