Leitsatz

Ein Praktikum von 12 Monaten und ein Vorpraktikum von fünf Monaten in einem Tattoo-Studio mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden sind als Ausbildung für den Beruf des Tätowierers anzuerkennen.

 

Sachverhalt

Der Sohn hatte sich nach Abschluss seiner Schulausbildung im Januar 2014 an einer Hochschule beworben. Obwohl dieser Antrag bereits am 27.2.2014 abgelehnt worden war, legte die Mutter mit ihrem Antrag auf Kindergeld wegen fehlenden Ausbildungsplatzes lediglich den Antrag an die Hochschule vor. Das daraufhin gewährte Kindergeld wurde später zurück gefordert.

Nach seinem Vortrag hat der Sohn von April 2014 bis August 2015 ein unbezahltes Vorpraktikum und ein anschließendes, ebenfalls unbezahltes Praktikum in einem Tattoo-Studio absolviert. Er räumte ein, ein vorgelegter Praktikumsvertrag sei erst nachträglich erstellt worden. Den Praktika hätten mündlich abgeschlossene Verträge zugrunde gelegen. Dieser Sachverhalt wurde nachträglich von dem Studio bestätigt. Im Januar 2016 hat der Sohn ein Gewerbe als Tätowierer angemeldet, sich jedoch gleichzeitig wieder bei einer Hochschule beworben.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hat beide Praktika als Berufsausbildung anerkannt, für die folgenden Monate des Jahres 2015 jedoch die Voraussetzungen eines fehlenden Ausbildungsplatzes im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG verneint. Es sah keinen Anhaltspunkt, dass es sich bei der nachträglich ausgestellten Bescheinigung des Studios um eine Gefälligkeitsbescheinigung handle. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs könne auch ein Praktikum als Berufsausbildung anzusehen sein. Dem müsse kein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegen. Die Ausbildung müsse die Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch nehmen (BFH, Urteil v. 22.11.2012, V R 60/10, BFH/NV 2013 S. 531). Die Voraussetzung des fehlenden Ausbildungsplatzes an der Hochschule sei nicht erfüllt, weil es der Sohn unterlassen habe, sich zu einem früheren, möglichen Termin bei der Hochschule zu bewerben.

 

Hinweis

Die Entscheidung des Finanzgerichts erscheint außerordentlich großzügig, sowohl was die Anerkennung einer Ausbildung über 17 Monate für den Beruf des Tätowierers betrifft (den jeder ohne Prüfung und Ausbildung ergreifen kann), als auch hinsichtlich der Anerkennung der vorgelegten "Nachweise". Das Urteil sollte deshalb bei Niemandem die Hoffnung wecken, ein ähnliches Verhalten würde von anderen Gerichten ebenso großzügig beurteilt. Eine andere, in demselben Fall getroffene Entscheidung des Finanzgerichts könnte sich für andere Steuerpflichtige als hilfreich erweisen: Das Finanzgericht hat einen Rückforderungsbescheid, der auch andere Kinder derselben Steuerpflichtigen betraf, aufgehoben, weil darin mehrere Rückforderungsansprüche unzulässigerweise in einem Betrag zusammen gefasst waren.

 

Link zur Entscheidung

FG Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2016, 10 K 1416/16 AO

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