Der deutsche Gesetzgeber hat das Mitgliedstaatenwahlrecht zur Freigabe der IFRS für den Einzelabschluss nicht an die Unternehmen weitergegeben. Auf mittlere Frist werden daher sowohl die börsennotierten Konzerne, die zwangsweise nach IFRS Rechnung legen, als auch die sonstigen Konzerne, die ihren Konzernabschluss freiwillig nach IFRS aufstellen, doppelgleisig fahren müssen:

  • Einzelabschluss nach HGB,
  • Konzernabschluss nach IFRS.

Ein erstes Problem dieser Zweigleisigkeit sind mögliche Irritationen bei den Bilanzadressaten:

 

Beispiel

Der XYZ-Konzern besteht aus der großen Muttergesellschaft X und den kleinen Tochtergesellschaften Y und Z. Die Tochtergesellschaften tragen gemeinsam nur zu weniger als 10 % zum Konzernergebnis bei. Der handelsrechtliche Einzelabschluss der X weist dennoch ein gravierend anderes Ergebnis aus als der IFRS-Konzernabschluss. Ursächlich sind u. a. unrealisierte Gewinne aus Wertpapieren, die nur im Konzernabschluss als Erfolg berücksichtigt werden, außerdem geringere Abschreibungen im Konzern, schließlich Umrechnungsgewinne bei Fremdwährungsforderungen, deren Ausweis das handelsrechtliche Imparitätsprinzip verbietet. Bei den Bilanzadressaten sorgen die großen Abweichungen zwischen Einzel- und Konzernabschluss für Irritation, Rückfragen, Unsicherheit.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet § 325 Abs. 2a HGB. Im Beispiel ist die X zwar verpflichtet, einen handelsrechtlichen Einzelabschluss zu erstellen und bei der das Unternehmensregister führenden Stelle zu hinterlegen (§ 325 Abs. 2b HGB). Sie kann jedoch von einer Bekanntmachung absehen, wenn sie dort stattdessen den IFRS-Einzelabschluss bekannt macht (§ 325 Abs. 2a HGB).

Es bleibt, wegen der Pflicht der Hinterlegung eines handelsrechtlichen Einzelabschlusses, der Aufwand einer "doppelten" Bilanzierung. Dieser Aufwand wäre dann besonders gering, wenn es gelänge, duale Einzelabschlüsse aufzustellen, d. h. Abschlüsse, die möglichst weitgehend sowohl deutschen als auch internationalen Grundsätzen genügen. Der HGB-Abschluss müsste danach durch Ausnutzung von Wahlrechten und durch eine mutige Interpretation der deutschen Vorschriften weitgehend an die IFRS-Vorschriften angepasst werden. Im Sinne dieser mutigen Interpretation sind in den 1990er Jahren zum Beispiel verschiedene Unternehmen der chemischen Industrie dazu übergegangen, Pensionsrückstellungen neu zu bewerten und insbesondere in Übereinstimmung mit IAS 19 zu erwartende zukünftige Karrieretrends und Pensionstrends durch jährliche Steigerungsannahmen rückstellungserhöhend zu berücksichtigen. Diese zunächst grenzwertige Vorgehensweise ist durch das BilMoG mit Wirkung ab 2010 gesetzlich nicht nur legitimiert worden; die Neufassung von § 253 Abs. 1 HGB sieht sogar eine Pflicht zur Bewertung auf Basis des voraussichtlichen Erfüllungsbetrags vor, also des Betrags, der sich nicht nach den Stichtagsverhältnissen, sondern unter Berücksichtigung erwarteter Steigerungsraten ergibt. Pensionsrückstellungen sind insofern ein dankbares Beispiel für einen dualen Ansatz.

Ein undankbares Beispiel sind hingegen Wertpapiere, die am Bilanzstichtag über den Anschaffungskosten notieren. Nach § 253 Abs. 1 HGB sind Vermögensgegenstände höchstens mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Nach IFRS 9 ist für bestimmte Wertpapiere und andere Finanzinstrumente hingegen der Ausweis zum Stichtagswert in der Regel auch dann geboten, wenn er die Anschaffungskosten überschreitet. Einen Interpretationsspielraum bieten in diesem Fall weder die HGB-Regelungen noch die IFRS-Regelungen. Eine duale Bilanzierung dieses Sachverhalts ist (mit Ausnahmen bei Kreditinstituten – § 340e Abs. 3 HGB) nicht möglich.

Für die pflicht- oder wahlweise von IFRS betroffenen Unternehmen bleibt daher das Problem der zweigleisigen Rechnungslegung bestehen. Einzelfragen des Umgangs mit diesem Problem werden unter "Einführung von IFRS") behandelt. An dieser Stelle ist nur eine grundsätzliche Entscheidungsfrage zu behandeln:

  • Die betroffenen Unternehmen können entweder weiter nach Handelsrecht, d. h. in einem handelsrechtlichen Kontenplan, buchen und für Zwecke der Konzernbilanz eine Überleitung nach IFRS vornehmen,
  • oder sie können IFRS zur führenden Buchhaltung machen und für Zwecke des zu hinterlegenden Einzelabschlusses eine Überleitung nach HGB bzw. sonstigem nationalen Recht vornehmen.

In einem durch vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen international integrierten mittelständischen Konzern ist die zweite Variante im Allgemeinen vorzuziehen. Aufgrund eines einheitlichen Bilanzierungshandbuchs wird das jährliche und unterjährige Berichtswesen einheitlich bei allen Tochterunternehmen und beim Mutterunternehmen nach IFRS-Regeln ausgerichtet. Reibungs- und Zeitverluste, insbesondere beim unterjährigen Reporting, werden vermieden. Zur Erfüllung nationaler Rechnungslegungsvorschriften wird aus den konzerneinheitlichen Abschlüssen jeweils der nationale Einzelabschluss abgeleitet.

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