Leitsatz

1. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005 einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

2. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen kommt es entgegen Abschn. 182a Abs. 10 UStR 2005 nicht an.

 

Normenkette

§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F., § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, § 3 Abs. 4 UStG, Art. 21, Entscheidung 2004/280/EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte einen Bauunternehmer mit der Errichtung eines Wohnhauses, dessen Wohnungen sie steuerfrei veräußerte. Die Klägerin, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, ging zunächst davon aus, dass sie nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. Steuerschuldner sei, da sie ihrerseits zu mehr als 10 % bauwerksbezogene Leistungen erbracht habe. Sie stellte später fest, dass sie diese Grenze unterschritten hat, und beantragte eine Änderung nach § 164 AO, um die bei ihr erfolgte Versteuerung rückgängig zu machen. FA und FG (FG Münster vom 1.9.2010, 5 K 3000/08 U, Haufe-Index 2565627, EFG 2011, 278) lehnten dies ab.

 

Entscheidung

Im Revisionsverfahren richtete der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Unter Berücksichtigung des daraufhin ergangenen EuGH-Urteils sah der BFH die Revision der Klägerin als begründet an, hob das Urteil des FG auf und gab der Klage statt. Die Klägerin sei nicht Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F., da sie die steuerpflichtig empfangene bauwerksbezogene Werklieferung nicht ihrerseits für die Erbringung einer derartigen Leistung verwendet habe. Ihre Leistung sei zum einen steuerfrei. Zum anderen sei die Lieferung eines eigenen Grundstücks weder eine Werklieferung noch eine sonstige Leistung.

 

Hinweis

1. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. (heute: § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG) ordnet an, dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S.v. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist, wenn er selbst derartige Leistungen als Unternehmer erbringt.

Unionsrechtliche Grundlage für die Steuerschuld des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. war eine Deutschland durch den Rat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Ermächtigung (Entscheidung 2004/280/EG). Danach bestand die Befugnis, abweichend von den Regelungen der 6. EG-RL "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen" den "Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner" zu bestimmen.

2. Die Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. auf Bauträger hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich.

a) Die Finanzverwaltung ging zunächst davon aus, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. nicht für Bauträger gilt, soweit sie ausschließlich Umsätze erbringen, die unter das GrEStG fallen (BMF, Schreiben vom 31.3.2004, BStBl I 2004, 453, Rz. 17).

b) Mit Wirkung ab 1.1.2010 änderte die Finanzverwaltung ihre Auffassung dahingehend, dass Bauträger, die die 10 %-Grenze überschreiten, Steuerschuldner nach § 13b UStG sind (BMF, Schreiben vom 16.10.2009, BStBl I 2009, 1298 und vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 254). Was sich daraus ergeben sollte, war zunächst unklar.

Später präzisierte die Finanzverwaltung ihre Auffassung dahingehend, dass Bauträger, die eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs bebauen, eine bloße Grundstückslieferung ausführen, wenn sie die Grundstücke erst nach Fertigstellung vermarkten und somit einen reinen Kaufvertrag mit dem Erwerber schließen. Werden Verträge mit den Kunden demgegenüber bereits zu einen Zeitpunkt geschlossen, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung nehmen kann, sollte unabhängig vom Umfang der Einflussnahme ein Werk- oder Werklieferungsvertrag vorliegen, sodass der Bauträger eine Bauleistung selbst dann erbringt, wenn sein Umsatz nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG steuerfrei ist (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 4 bis 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 12.12.2011, BStBl I 2011, 1289).

3. Der BFH hatte im vorliegenden Streitfall Zweifel, ob für § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht besteht, und richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (BFH, Beschluss vom 30.6.2011, V R 37/10, BStBl II 2011, 842). Der EuGH antwortete hierauf mit Urteil vom 13.12.2012, C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau, BFH/PR 2013, 159 dahingehend, dass der Begriff der Bauleistungen i.S.d. Deutschland erteilten Ermächtigung sowohl Dienstleistungen als auch Lieferungen umfasst. Zudem wies der EuGH darauf hin, dass Deutschland befugt sei, die Ermächtigung auch nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von ...

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