Leitsatz

1. Es bestehen weder im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip noch in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 4 Abs. 4a EStG.

2. § 4 Abs. 4a EStG ist betriebsbezogen und periodenübergreifend anzuwenden. – (Leitsatz redaktionell bearbeitet)

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4a EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Für das Jahr 1999 errechnete der Kläger einen steuerlichen Verlust von 10.000 DM. Die Entnahmen überstiegen die Einlagen um 160.000 DM. Im Jahre 2000 ermittelte er einen steuerlichen Verlust von 700.000 DM. Allerdings überstiegen die Einlagen die Entnahmen um 150.000 DM.

Die nach Maßgabe von § 4 Abs. 4a EStG abziehbaren Beträge ermittelte der Kläger in der Weise, dass er den Gewinn i.S.v. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG für beide Wirtschaftsjahre mit null ansetzte und so für das Jahr 1999 zu einer Überentnahme, für das Jahr 2000 zu einer Unterentnahme kam. Das FA verrechnete die Einlagen des Jahres 2000 zunächst in vollem Umfang mit dem Verlust desselben Jahres. Im Anschluss daran berücksichtigte es die aus 1999 vorgetragene Überentnahme in nämlicher Höhe. Die Sprungklage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 27.1.2009, 11K 4248/08, Haufe-Index 2125575, EFG 2009, 737).

 

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis hat das FG zu Recht erkannt, dass keine weiteren Schuldzinsen abzuziehen sind. Die Revision ist daher gem. § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

 

Hinweis

1. Ebenso wie in dem vorstehenden Urteil vom selben Tage bestätigt der X. Senat die BFH-Rechtsprechung, dass Verluste zwar für sich genommen nicht zu Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStGim Verlustentstehungsjahr führen, sie aber in die Berechnung von Überentnahmen und Unterentnahmen des jeweiligen Streitjahres einzubeziehen sind.

2. Weitere Erkenntnisse dieses Urteils sind, dass § 4 Abs. 4a EStG nicht voraussetzt, dass im konkreten Wirtschaftsjahr selbst eine Überentnahme vorliegt. Der BFH hat bereits mit seinem Urteil vom 17.8.2010, VIII R 42/07 (BFH/NV 2010, 2186, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041) ausgeführt, dass nach § 4 Abs. 4a EStG Überentnahmen nicht bestimmten Wirtschaftsjahren zugeordnet, sondern periodenübergreifend angelegt sind.

3. Die Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG ist betriebsbezogen vorzunehmen (vgl. BFH, Urteil vom 22.9.2011, IV R 33/08, BFH/NV 2011, 2158, BFHE 235, 278); damit sind die in einem weiteren Betrieb des Steuerpflichtigen erwirtschafteten Gewinne ohne Bedeutung.

4.§ 4 Abs. 4a EStG begegnet im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip keinen Bedenken. Die Hinzurechnung der Schuldzinsen beruht stets auf Überentnahmen (der Entnahme von Fremdkapital) und damit auf einer privaten Ursache. Die Hinzurechnung liegt damit außerhalb des Anwendungsbereichs des objektiven Nettoprinzips.

5. Der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit wird nicht berührt, da die Regelung dem Steuerpflich­tigen gerade nicht vorschreibt, wie er seine be­trieblichen Aufwendungen finanziert; die Regelung ­sanktioniert lediglich die private Entnahme von Fremdkapital.

6. Es ist unerheblich, ob der Verlust mit einem Liquiditätsverlust einhergeht oder auf einer Abschreibung beruht. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG kommt es auf die Liquidität nicht an; § 4 Abs. 4a EStG setzt diesen Grundsatz fort.

7. Hinsichtlich des typisierten Zinssatzes von 6Prozent schließt sich der X. Senat dem Urteil des VIII. Senats in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041 an. Der Gesetzgeber habe bei der vorgenommenen Typisierung seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wobei zu berücksichtigen sei, dass es dem jeweiligen Betriebsinhaber frei stehe, die für private Zwecke bestimmten Mittel nicht zu entnehmen, sondern stattdessen die geplante Maßnahme unmittelbar über eine private Kreditaufnahme zu finanzieren.

8. Auch verstößt die Verwendung der Begriffe "Entnahme" und "Einlage"nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Der Entnahmebegriff des § 4 Abs. 4a EStG entspricht im Ansatz dem des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Sind allerdings Schuldzinsen bereits wegen ihrer privaten Veranlassung nicht abziehbar, kommt eine nochmalige Hinzurechnung nicht in Betracht; insoweit ist die Entnahme ohne Bedeutung, denn die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG bezieht sich nur auf die Kürzung solcher Schuldzinsen, die i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG betrieblich veranlasst sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 22.2.2012 – X R 12/09

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