Leitsatz

1. Wegen der Verpflichtung, eine am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen (Darlehen mit steigenden Zinssätzen), ist in der Bilanz grundsätzlich eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung wegen eines wirtschaftlichen Erfüllungsrückstandes auszuweisen.

2. Eine solche Zinsverbindlichkeit ist grundsätzlich abzuzinsen.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 247 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Die klagende (Ende 2007 gegründete und zum US-amerikanischen A Konzern gehörende) GmbH erwarb im Februar des Streitjahres 2008 von der luxemburgischen A S.A.R.L. 90 % der Anteile an der A GmbH. Die Kaufpreisschuld wandelten die Vertragsparteien am 1.3.2008 in ein Darlehen mit einer Laufzeit bis zum 28.2.2017 um. Noch am selben Tag trat die A S.A.R.L. als Darlehensgeberin ihren Rückzahlungsanspruch an eine weitere Konzerngesellschaft (A Inc. & Co. KG) ab. Zur Verzinsung heißt es im Darlehensvertrag: "Die Zinsen … fallen jährlich wie folgt an: 1. Jahr: 1,8 %; 2. Jahr: 1,3 %; 3. Jahr: 1,5 %; 4. Jahr: 4 %; 5. Jahr: 5,5 %; 6. Jahr: 7 %; 7. Jahr: 8,8 %; 8. Jahr: 10 %; 9. Jahr: 10,9263 %. Sie ergeben eine Rückzahlungsrendite von 5,2 %. Die aufgelaufenen Zinsen sind jährlich am letzten Tag im Februar des jeweiligen Jahres zu zahlen, beginnend am 28. Februar 2009."

Zum Kündigungsrecht des Darlehensgebers heißt es: "Falls es für den Darlehensgeber rechtswidrig wird, Verpflichtungen in diesem Darlehensvertrag aufrechtzuerhalten, dann kann der Darlehensgeber zu jeder Zeit durch eine schriftliche Kündigung seine vertraglichen Verpflichtungen beenden bzw. eine sofortige Rückzahlung der ausstehenden Restschulden des Darlehens plus aufgelaufener Zinsen einfordern."

Kündigungsmöglichkeiten bestanden ferner für den Fall der Auflösung, der Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit sowie falls der Darlehensnehmer "seine Zinsen oder Restschuld gemäß diesem Darlehensvertrag innerhalb einer Frist von 20 Arbeitstagen ab dem Tag des Erhalts der Nachricht über den Verzug vom Darlehensgeber nicht zahlt. In Extremfällen wird dem Darlehensnehmer die Möglichkeit eingeräumt, den Gegenwert der Zinsen eines Jahres bis zur Fälligkeit des Darlehens zu stunden" oder "eine Person, eine Gruppe von Personen, die gemeinsam handeln, außer einem Unternehmen, das dem (A-Konzern) angehört, Kontrolle über den Darlehensnehmer erwirbt".

Die Klägerin bildete in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 für die Zinsverpflichtung eine Rückstellung. Berechnung: durchschnittlicher gesamtlaufzeitbezogener Zinssatz 5,2 %; vom jährlichen Zinsbetrag 10/12 (1.3. bis 31.12.2008). Das FA berücksichtigte lediglich einen geringeren Betrag. Berechnung: 10/12 des Zinsbetrages, ermittelt auf der Basis von 1,8 % im Erstjahr. Die Klage war erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7.2014, 10 K 3184/13, Haufe-Index 8310841).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung (Abzinsung der Zinsverbindlichkeit; steuerliche Anerkennung des Darlehensvertrages) an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Es geht zunächst um die Frage, ob die Klägerin wegen der Verpflichtung, die am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen, zu Recht (ausgehend von der Durchschnittsverzinsung) einen Passivposten in ihrer Bilanz angesetzt hat. Dies hatte das FG abgelehnt. Wenn man diese Frage aber bejaht, stellen sich zwei Folgeprobleme: Die Abzinsung der Zinsverbindlichkeit und die Grundfrage der steuerrechtlichen Anerkennung des Darlehensvertrages (Fremdvergleich).

2. Der BFH erörtert (und bejaht) einen zinsbezogenen wirtschaftlichen Erfüllungsrückstand zum Bilanzstichtag (ungeachtet der Zahlungsfälligkeit zum 28.2.2009), der zum 31.12.2008 ausweispflichtig ist. Der Streit zur Höhe des Rückstandes wird alsdann dahin entschieden, dass nicht auf die zivilrechtliche Abrede (Zinsverpflichtung für das Erstjahr: 1,8 %), sondern in wirtschaftlicher Betrachtung auf die dem Vertrag als eine Art "Geschäftsgrundlage" zugrunde liegende Durchschnittsverzinsung und damit auf die ansteigenden (zivilrechtlich ebenfalls noch nicht fälligen) Zinsverbindlichkeiten der Folgejahre abzustellen ist.

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung der Gegebenheiten stellen die von der Klägerin am ­Bilanzstichtag noch geschuldeten zukünftigen Zinszahlungen die Gegenleistung für die gesamte neunjährige Kapitalüberlassung dar. Der gesamte Zinsaufwand wird anteilig durch den am jeweiligen Bilanzstichtag zurückliegenden Zeitraum wirtschaftlich verursacht. Wie bei einer Verpflichtung zur Leistung einer am Ende der Laufzeit fälligen Sparprämie wird bei einer progressiven Verzinsung mit der noch ausstehenden Gegenleistung des Darlehensnehmers (Sparprämie als Zusatzverzinsung einerseits, progressive Zinszahlung als zusätzliche Vergütung im Vergleich zur zivilrechtlich im Erstjahr geschuldeten Leistung andererseits) anteilig auch die bereits vom Darlehensgeber erbrachte Vorleistung in Gestalt der Kapitalüberl...

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