Leitsatz

Die Pflicht zur Berichterstattung aufgrund eines umfangreichen Berichtswesens allein gewährt keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung. Eine organisatorische Eingliederung setzt regelmäßig Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft voraus.

 

Sachverhalt

Gestritten wurde darüber, ob zwischen einem Versicherungsunternehmen (VU) als Organträger und einer Bank (Aktiengesellschaft – Bank-AG) eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. Insbesondere ging es um das Merkmal der organisatorischen Eingliederung. Die Bank-AG wurde durch das klagende VU mit dem Ziel erworben, Finanzdienstleistungsprodukte zur Kundenbindung und zur Neu-Akquisition im Versicherungsgeschäft einsetzen zu können. Das Rechnungswesen des VU und der Bank-AG waren eng miteinander verknüpft. Zwischen den zuständigen sachbearbeitenden Stellen und den Vorständen bestand ein standardisierter Informationsaustausch. Entscheidungen in Einzelfragen betreffend das Rechnungswesen auf Ebene der Bank-AG waren mit dem zuständigen Leiter des Rechnungswesens des VU oder dem zuständigen Vorstand der Gesellschaft abzustimmen. Die Finanzbuchhaltung der Bank-AG war auf den vermeintlichen Organträger ausgelagert. Nach Ansicht des Finanzamts lag keine umsatzsteuerliche Organschaft vor, da es an der organisatorischen Eingliederung fehle - insbesondere wegen der fehlenden Personalunion zwischen den Leitungsgremien der beiden Gesellschaften. Zwar seien von den sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Bank-AG vier von Seiten des VU besetzt, da aber bei einer AG der Vorstand der AG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leite, seine Vertretungsbefugnis unbeschränkt sei und er hinsichtlich der Durchführung der laufenden Geschäftstätigkeit nicht an Weisungen des Aufsichtsrats gebunden sei, sei diese "personelle Verflechtung" für die Anerkennung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht ausreichend.

 

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Auch nach Ansicht des Finanzgerichts fehlt es im Streitfall vollständig an der organisatorischen Eingliederung. Diese liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht. Neben diesem Regelfall kann sich die organische Eingliederung auch daraus ergeben, dass leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer bzw. Vorstand der Organgesellschaft tätig sind. Im Streitfall liegt keine Personenidentität in den Vertretungsorganen vor, denn es gab kein Vorstandsmitglied des VU, das auch Mitglied im Vorstand der Bank-AG war. Ebenso wenig war ein leitender Mitarbeiter des vermeintlichen Organträgers im Vorstand der Bank-AG vertreten. Auch waren keine organisatorischen Maßnahmen ersichtlich, die institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung bewirkten. Zwischen dem VU und der Bank-AG ist kein Beherrschungsvertrag im Sinne von § 291 AktienG abgeschlossen worden, die Bank-AG ist nicht nach §§ 319, 320 AktienG in das VU eingegliedert worden, noch hat es irgendeine schriftlich fixierte Vereinbarung zwischen dem vermeintlichen Organträger und der Bank-AG gegeben, die den Nachweis eines unmittelbaren Einflusses auf die laufende Geschäftsführung der Bank-AG gegenüber Dritten ermöglichen würde.

 

Hinweis

Die üblichen Instrumente zur Sicherstellung der organisatorischen Eingliederung standen im Streitfall aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung. Dem klagenden VU gelang es nicht, über die deutliche wirtschaftliche Eingliederung und die unstrittige finanzielle Eingliederung auch die organisatorische Eingliederung zu begründen. Dies ist deshalb besonders misslich, weil die im Falle der Organschaft vorliegenden nichtsteuerbaren Innenumsätze zu einer erheblichen Entlastung der nicht vorsteuerabzugsberechtigten Beteiligten geführt hätten. Das Finanzgericht hat nochmals deutlich darauf verwiesen, dass es für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht ausreicht, dass eine Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Merkmale besteht. Auch aus der finanziellen Eingliederung folge keinesfalls die organisatorische Eingliederung (vgl. BFH, Urteil v. 5.12.2007, V R 26/06). So begründen selbst ein gemeinsames Rechnungswesen, eine umfassende Kooperation in IT-Angelegenheiten unter Leitung des vermeintlichen Organträgers, die Nutzung des Druckstraßensystems, des Archivsystems, der Versand- und Vertriebsorganisation sowie die Anmietung des im Eigentum des VU stehenden Bürogebäudes keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung, der gegenüber Dritten nachweisbar wäre oder zu einer Haftung des Vorstands der Bank führen würde, wenn dieser von Anweisungen des VU betreffend die laufende Geschäftsführung abweichen würde. Entsprechendes gilt nach Ansicht des Finanzgerichts für das umfassende Berichtswesen. Auch die Pflicht zur Berichterstattung allein gewährt keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäf...

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