Leitsatz (amtlich)

1. Der Abschlussprüfer einer Emissionsgesellschaft kann im Falle eines Verstoßes gegen § 332 Absatz 1 HGB wegen einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Absatz 2 BGB Schadenersatzpflichtig gegenüber einem Kapitalanleger sein.

2. Zum Rückgriff auf § 332 Absatz 1 HGB bei der Abschlussprüfung kleiner Aktiengesellschaften (§ 267 Absatz 1 HGB), wenn sich eine Prüfpflicht aus prospektgesetzlichen Vorschriften ergibt.

3. Zu den Anforderungen an einen Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers bei unvollständiger Lage- und Risikoberichterstattung im Lagebericht der Emissionsgesellschaft.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 09 O 1528/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.03.2020; Aktenzeichen VII ZR 236/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 04.08.2017 - 09 O 1528/14 - unter Aufhebung des die außergerichtlichen Kosten des Beklagten betreffenden Kostenausspruchs teilweise abgeändert und in Bezug auf den beklagten Abschlussprüfer wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69.975,32 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.09.2016, Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der kündbaren Orderschuldverschreibung der X KGaA des Typs OSVKL 90-1243, WKN: FUBODT mit einer jährlichen Verzinsung von 6% ab dem 21.10.2012 in Höhe von 25.000,00 Euro sowie der kündbaren, dreijährigen Orderschuldverschreibung der X KGaA des Typs OSV3a-1305, WKN: FUBOKD mit einer jährlichen Verzinsung von 7% ab dem 14.01.2013 in Höhe von 50.000,00 Euro, zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers gemäß Ziffer 1 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultieren.

3. Im Übrigen wird die gegen den beklagten Abschlussprüfer gerichtete Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird, soweit sie den beklagten Abschlussprüfer betrifft, zurückgewiesen.

III. Der Beklagte trägt seine außergerichtlichen Kosten in erster und zweiter Instanz selbst. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahren wird auf bis 80.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger zeichnete am 08.10.2012 eine Orderschuldverschreibung der X KGaA über 25.000,00 Euro (Anlagen ASt 11 und ASt 12) und am 14.01.2013 eine weitere Orderschuldverschreibung der X KGaA über 50.000,00 Euro (Anlagen ASt 11 und ASt 12). Im Hinblick auf die Kapitalanlage vom 08.10.2012 erfolgte eine Anrechnung von Rückzahlungen aus einer vorangegangen abgeschlossenen Orderschuldverschreibung (Anlage B-4 9). In Bezug auf die Investition vom 14.01.2013 fand eine Anrechnung in Höhe von 20.000,00 Euro aus einer auslaufenden Orderschuldverschreibung statt (Anlage B-4 10); darüber hinaus zahlte der Kläger am 01.02.2013 zusätzlich 30.000,00 Euro an die Emittentin. Beide Zeichnungen beruhten auf mit der Vermittlerin K. geführten Beratungsgesprächen, wobei die Anlageentscheidungen angabegemäß aufgrund der Emissionsprospekte, insbesondere des Basisprospekts für Orderschuldverschreibungen 2011/2012, Stand 27.09.2011 (Anlage ASt 1), und der Geschäftsberichte der X KGaA sowie infolge der mündlichen Erläuterungen der Vermittlerin getroffen worden sein sollen.

Nachdem über das Vermögen der X KGaA am 01.04.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, erhob der Kläger am 24.04.2014 Klage zunächst gegen die ursprünglichen Beklagten 1) bis 5) mit der Behauptung, diese seien als verantwortliche Personen innerhalb der Fu.-Unternehmensgruppe, die ein auf Anlegertäuschung ausgerichtetes Schneeballsystem betrieben habe, zum Ersatz des ihm entstandenen Zeichnungsschadens nebst Zinsgewinnausfall verpflichtet.

Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 30.08.2016 nahm der Kläger zusätzlich den ursprünglichen Beklagten 7), der als Steuerberater die Buchhaltung der Emissionsgesellschaft unterstützt und die Jahresabschlüsse der X KGaA angefertigt haben soll, sowie den damaligen Beklagten 6), den Beklagten des vorliegenden Berufungsverfahrens, der als Abschlussprüfer die Jahresabschlüsse nebst Lageberichten der X KGaA ohne Einschränkungen testierte, auf Schadenersatz in Anspruch. Er berief sich insoweit zur Begründung insbesondere auf die Fehlerhaftigkeit der im Basisprospekt abgedruckten Jahresabschlüsse nebst Lageberichten und Testate.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand, insbesondere zu den vom Kläger behaupteten pflichtwidrigen Handlungen wird auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung sowie auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 04.08.2017 hat das Erstgericht die gegen die Beklagten 1) bis 7) gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei sämtlichen in Betracht kommenden Ansprüchen die haftungsbegründende Kausalität fehle, sodass dahinstehen könne, ob die behaupteten Prospektfehler tatsächli...

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