Im Gegensatz zu den Kapitalgebern haben Mitarbeiter ein persönliches Interesse an Informationen über die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens, gleichzeitig aber auch i. d. R. deutlich geringere Kenntnisse hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten des Jahresabschlusses.[1] Konkret besteht das potenzielle Interesse an Jahresabschlussdaten für Mitarbeiter in den Feldern Arbeitsplatzsicherheit (und Karrierechancen), Sicherheit der Betriebsrenten und Höhe der Lohnforderungen.

  • Die Arbeitsplatzsicherheit sowie die Aufstiegschancen sind aus dem Jahresabschluss jedoch kaum herauszulesen, da dieser hoch aggregiert über das gesamte Unternehmen und nicht über die einzelnen Abteilungen und Sparten berichtet. Jüngste Beispiele, etwa im Bereich der Energieversorger oder durch die Corona-Pandemie der Luftfahrt und Touristik, zeigen, dass auch eine (vergangenheitsorientierte) gute wirtschaftliche Abbildung der Lage im Jahresabschluss keine Garantie für feste Arbeitsplätze bietet. Vielmehr ist diese abhängig von strategischen Entscheidungen und externen Umbrüchen mit Wirkung auf die Geschäftsmodelle. Somit ist davon auszugehen, dass diese Fragen eher aus der täglichen Arbeit und damit der eigenen internen Sicht zu beantworten sind oder im Falle der Pandemie sogar überraschend und unerwartet bleiben und kaum vorhersehbar sind.
  • Die Funktion der Arbeitnehmer als Kapitalgeber in Form von Pensionsansprüchen wird einerseits durch den schon angesprochenen geringen Kenntnisstand über Bilanzierung und andererseits durch zusätzliche Sicherungsinstrumente, wie den Pensionssicherungsverein, keine große Rolle bei der Offenlegung von Jahresabschlüssen spielen.
  • Die größte Wirkung der elektronisch offengelegten Abschlüsse ergibt sich für die Tarifparteien. Die Lohnforderungen der Arbeitnehmer können somit auf einer breiteren Basis aufsetzen, wobei auch die Gewinnsituation durch die Integration von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräten und Beiräten zumindest bei größeren Unternehmen bekannt ist. Hier könnte es eventuell hilfreich sein, dass der elektronische Datenpool eine differenziertere Auswertung nach Größenklassen, Branchen und weiteren Kriterien zulässt, sodass die Lohnforderungen sich eben nicht nur an den Großunternehmen orientieren, sondern Flexibilitäten aufweisen könnten.

Kaum Informationsgewinn bei Mitarbeitern

Im konkreten Fall verbessert die Offenlegung von Jahresabschlüssen die Informationslage der Mitarbeiter nicht nachhaltig, da diese vielfach tiefere interne Einblicke haben. Vielleicht kommt es durch die Veröffentlichung in einigen Fällen lediglich zu einer realistischeren Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, was aus der Perspektive des einzelnen Mitarbeiters kaum möglich erscheint.

Für potenzielle Mitarbeiter kann der Jahresabschluss und Lagebericht eine erste Informationsquelle über das Unternehmen sein, die je nach der vorhandenen Fähigkeit der Analyse des Datenmaterials einen mehr oder weniger tiefen Einblick in die wirtschaftliche Lage erlaubt. Insgesamt muss die Wirkung auf Fachkräfte jedoch als vergleichsweise gering eingeschätzt werden.

[1] Vgl. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Rechnungswesen, 2. Aufl. 1997, S. 391.

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