Die Chancen und Risiken, die aus der Veröffentlichung von Jahresabschluss und Lagebericht entstehen, sind stets in Abhängigkeit von den einzelnen Interessengruppen der Rechnungslegung zu sehen. Diese sind zudem in Abhängigkeit von der individuellen Positionierung des Unternehmens im Markt-, Konkurrenten-, Eigenkapitalgeber-, Fremdkapitalgeber- und sonstigen Umfeld zu sehen, sodass es hier keine allgemein gültigen Aussagen geben kann.

So ist es möglich, dass ein Unternehmen mit ausreichender Marktmacht und guter Bonität von der Veröffentlichung der eigenen Daten und derer der Mitbewerber profitiert, da es nun innerhalb der eigenen Strategiegestaltung die Bonität und Marktstellung der Mitbewerber gezielt berücksichtigen und so z. B. Mitbewerber aus dem Markt drängen kann. Ein Unternehmen mit vorübergehend schlechterer wirtschaftlicher Lage wird durch die Veröffentlichung jedoch zum Ziel solcher Aktionen.

Zugang zu den Rechnungslegungsdaten ist maßgeblich

Generell hängen die zu erwartenden Chancen und Risiken eng mit der Frage zusammen, ob die Informationen von Jahresabschluss und Lagebericht die Adressaten überhaupt erreichen.[1] Angesichts der komplexen Strukturen und der mitunter zeitaufwändigen Auswertung ist kaum zu erwarten, dass viele Adressaten den Abschluss intensiv analysieren werden. Schon heute zeigt sich, dass etwa auf Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften die Präsenz der Aktionäre recht dürftig ist. I. d. R. werden die Daten des Abschlusswerkes den Anteilseignern nur komprimiert in Form eines Kurzberichts zugesandt; von der Möglichkeit, den umfassenden Gesamtbericht anzufordern bzw. im Internet nachzulesen, wird kaum Gebrauch gemacht.

Erzwingen der Einsicht in Rechnungslegungsdaten nicht neu

Auch bestand mit dem durch das Kapitalgesellschaften und Co.-Richtliniengesetz[2] eingeführten § 335 a HGB a. F. bereits seit dem Geschäftsjahr 2000 die Möglichkeit, dass jedermann ohne nachzuweisendes Interesse einen Antrag auf Veröffentlichung von Rechnungslegungsdaten, der nicht zurückgenommen werden kann, beim Registergericht stellen kann. Mit diesem wird das Ordnungsgeldverfahren in Gang gesetzt, was bis zur Einreichung der Unterlagen ggf. mehrfach wiederholt werden kann. Somit konnte auch schon aufgrund der Rechtslage vor dem EHUG jeder die Offenlegung der Rechnungslegungsdaten erzwingen. Somit konnte auch schon aufgrund der Rechtslage vor dem Jahr 2006 jeder die Offenlegung der Rechnungslegungsdaten erzwingen. Auch wenn die Auskünfte im Bundesanzeiger durch die Internetabfragemöglichkeit inzwischen einfacher zu erlangen sind, bleiben die Zugriffszahlen doch letztlich überschaubar.

Im Folgenden werden daher denkbare Chancen und Risiken aufgezeigt, die sich durch die Offenlegung gegenüber den einzelnen Interessengruppen der Rechnungslegung ergeben können.

[1] Vgl. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Rechnungswesen, 2. Aufl. 1997, S. 391 ff.
[2] KapCoRiLiG v. 24.2.2000, BGBl 2000 I S. 154 ff.

4.1 Aktuelle und potenzielle Anteilseigner

Aktuelle Anteilseigner

Die Veröffentlichung von Rechnungslegungsdaten erbringt gegenüber den aktuellen Anteilseignern keine Veränderung, da diese ohnehin in Abhängigkeit von der konkreten Rechtsform mehr oder weniger stark gesetzlich zugesicherte Einblicksrechte in die Unternehmensdaten haben. Spätestens zur Gesellschafterversammlung, auf der der Beschluss über die Gewinnverteilung zu treffen ist, müssen die Daten des Jahresabschlusses der vergangenen Rechnungsperiode verfügbar sein.

Potenzielle Anteilseigner

Für potenzielle Anteilseigner gibt es derartige Einblicksmöglichkeiten nicht, diese sind auf die extern veröffentlichten Rechnungslegungsdaten angewiesen. War bei Einführung der elektronischen Offenlegungspflicht noch davon ausgegangen worden, dass Angesichts der Volumina, die in deutschen Privat-Equity-Fonds lagerten, die abrufbaren Jahresabschlüsse und Lageberichte gezielt und mit professionellen Analyseinstrumenten auf lukrative Anlagemöglichkeiten hin durchsucht werden, kam durch die Finanzmarktkrise ein jäher Einbruch dieser Anlageidee. Zusammen mit den eher negativen Erfahrungen am Mittelstandsanleihemarkt wagen sich die Anleger in der Niedrigzinsphase zunächst erst wieder sehr zögerlich, aktuell deutlich intensiver in diesen Markt.

Allerdings könnten die im Bundesanzeiger verfügbaren Daten genutzt werden, um bei interessanten Objekten den (Alt-)Anteilseignern häufiger Angebote zum Erwerb von Beteiligungen zu unterbreiten. Dies könnte zu einer erhöhten Fluktuation der Anteilseigner führen und somit im Anschluss an den Eigentümerwechsel oder aber auch in dessen Vorfeld zur Abwendung eines solchen Ereignisses die Wertorientierung auch in mittelgroßen Gesellschaften noch stärker verbreiten.

Mehr Transparenz auf dem Beteiligungsmarkt

Insgesamt wird der Markt für Beteiligungen außerhalb des Aktienmarktsegments transparenter. Damit dürfte es leichter sein, Eigenkapitalanteile zu verkaufen. Zudem ist zu erwarten, dass dank der besseren Informationsbasis die Volatilität der Marktpreise für diese Anteile und dami...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge