Rz. 102

Die Berücksichtigung von Nutzungen und Nutzungsrechten in der betrieblichen Gewinnermittlung ist nicht nur in Form einer Bilanzierung derselben und dem sich damit eröffnenden Zugang in den Vermögensvergleich denkbar, auch eine Einbeziehung der in Verbindung mit der Nutzungsüberlassung stehenden Aufwendungen in die Gewinn- und Verlustrechnung ist – wie bereits im vorangegangenen Kapitel dargestellt – möglich. In diesem Kontext stellt sich insbesondere die Frage nach der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen, die einem Dritten an dem zur Nutzung überlassenen Gegenstand entstehen (sog. Drittaufwand).[1]

 

Rz. 103

Drittaufwand entsteht nach Ansicht des BFH, "wenn ein Dritter Kosten trägt, die durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen veranlasst sind".[2] Dabei sollte eigenes Vermögen des Dritten zum Einsatz kommen; die kostenlose Erbringung von Dienstleistungen genügt dagegen nicht.[3] In der Literatur[4] werden zwei Arten von Drittaufwand unterschieden:

  1. Zahlungsleistungen eines Dritten sollen zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem der Dritte dem Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut zur betrieblichen Nutzung überlassen hat, beim Nutzungsempfänger zu betrieblichen Aufwendungen führen (sog. Drittaufwand im Zweierverhältnis).[5]
  2. Gegenwärtige Zahlungsleistungen eines Dritten an einen Zahlungsempfänger sollen dem Steuerpflichtigen als Betriebsausgaben zugerechnet werden (sog. Drittaufwand im Dreiecksverhältnis).[6]
[1] Zur Drittaufwandsproblematik insb. auch im Kapitalgesellschaftskontext vgl. Kestler, DStR 2015, S. 2465 ff.
[3] Vgl. Weber-Grellet, DB 1995, S. 2554.
[4] Vgl. Söhn, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 EStG Rz. E 190 ff., Stand: Juli 2020.
[5] Vgl. Jakob/Jüptner, FR 1988, S. 149.
[6] Vgl. Jakob/Jüptner, FR 1988, S. 148.

4.1 Drittaufwand im Zweierverhältnis: Frage der AfA-Zurechnung

 

Rz. 104

§ 4 Abs. 4 EStG definiert Betriebsausgaben als "Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind". Sollen die an einem zur Einkünfteerzielung eingesetzten Gegenstand entstehenden Aufwendungen berücksichtigt werden, die auf eine wirtschaftliche Last zurückzuführen sind, die ein Dritter bereits in der Vergangenheit getragen hat, tangiert man den Bereich der AfA-Berechtigung.

 

Rz. 105

Fraglich ist folglich, ob auch Abschreibungen auf einen Gegenstand, der zwar vom Einkünfteerzieler genutzt wird, aber nicht in dessen (rechtlichem oder wirtschaftlichem) Eigentum steht, dem Nutzer als Aufwand zugerechnet werden können. Auch eine entsprechende Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach Absetzungen für Abnutzung bei "Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, …" vorzunehmen sind, könnte den Gedanken nahelegen, dass nicht in jedem Fall dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümer die AfA-Berechtigung für das Wirtschaftsgut zustehen muss, sondern auch derjenige abschreibungsberechtigt sein könnte, der das Wirtschaftsgut lediglich zur Erzielung von Einkünften einsetzt.

 

Rz. 106

Literaturmeinung und Rechtsprechung diskutieren das Für und Wider der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen Dritter allgemein und der AfA im Besonderen auf der Grundlage unterschiedlicher Argumentationsbasen.

4.1.1 Argumente von Literatur und Rechtsprechung

 

Rz. 107

Im Fall einer Anerkennung von Nutzungen als einlagefähige Wirtschaftsgüter[1] stellt sich das Problem des Drittaufwands nicht; eine Einlage würde sogar die Bewertung zum Teilwert[2] zulassen;[3] die Berücksichtigung der AfA könnte durch einen entsprechenden Wertansatz erfolgen. Eine solche Einlagefähigkeit von Nutzungen wird auch im Zusammenhang mit der abstrakten Vorstellung einer Herstellung von Nutzungen konstruiert: "Sieht man in der Begründung eines Nutzungsrechts die Abspaltung eines selbstständigen Eigentumssplitters, der dann in den Betrieb eingebracht wird, könnte das als Herstellung der Nutzungsmöglichkeit bezeichnet werden".[4] Einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so umfassenden Weg geht der Vorschlag einer Aufwandseinlage. Die Argumentation baut darauf auf, dass Nutzungsvorteile mangels Qualifikation als Wirtschaftsgut nicht eingelegt werden können und der BFH[5] daher eine Einlage i. H. d. Werts der Nutzung ablehnt. Dagegen wird festgestellt, dass "bei der betriebsfremden Nutzung von Betriebsvermögen nicht der Wert der Nutzung, sondern der durch sie verursachte Aufwand als entnommen angesehen"[6] wird. Aus dieser Anerkennung einer Aufwandsentnahme bei betriebsfremder Nutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter wird dann die Zulässigkeit (und Notwendigkeit) einer Aufwandseinlage bei betrieblicher Nutzung fremder Wirtschaftsgüter abgeleitet.[7]

 

Rz. 108

Sehr viel weiter geht eine Rechtfertigung des Drittaufwands auf der Grundlage des Prinzips der sachlichen Veranlassung,[8] das im Wesentlichen auf einer wörtlichen Auslegung der §§ 2, 4 und 11 EStG beruht. Gem. § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer persönlich zuzurechnende Einkünfte, "die der Steuerpflichtige … erzielt", wohingegen in ...

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