Rz. 50

Unter schwebenden Geschäften werden gegenseitig verpflichtende Verträge verstanden, die auf den Austausch von Leistungen gerichtet sind, aber bisher noch von keinem der Leistungsverpflichteten erfüllt wurden.[1] Vom rechtlichen Standpunkt aus handelt es sich dabei um Schuldverhältnisse, die auf eine einmalige Leistung gerichtet sind, oder um Dauerschuldverhältnisse.[2] Der Grundsatz der Nichtbilanzierung greift so lange, wie sich Leistung und Gegenleistung ausgleichen.[3]

 

Rz. 51

Das Bilanzierungsverbot für schwebende Geschäfte entspringt dem Realisationsprinzip,[4] findet jedoch explizit keinen gesetzlichen Niederschlag; vielmehr handelt es sich dabei um einen (ungeschriebenen) Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung.[5] Bilanzierungsrelevant werden die von diesem Verbot erfassten Sachverhalte erst dann, wenn sich die beiderseitigen Leistungen nicht mehr entsprechen und gem. § 249 Abs. 1 HGB die Passivierung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften geboten ist.[6] Zur Entscheidung über ein der Bilanzierung entgegenstehendes Verbot ist die Festlegung des Beginns und der Beendigung des Schwebezustands nötig; dabei gilt nach Auffassung der Finanzrechtsprechung der Schwebezustand als beendet, wenn die Hauptleistung erbracht wurde.[7] Die Problematik dieser Anschauung für die Bilanzierung von Nutzungsrechten zeigt sich insbesondere bei schuldrechtlichen Nutzungsrechten, die sich i. d. R. in ihrer rechtlichen Ausgestaltung als Dauerschuldverhältnisse dadurch auszeichnen, dass einer der beiden Vertragspartner eine Vorleistung erbringen muss.[8] Damit stellt sich die Frage, ob diese Leistungen einen Einfluss auf den Schwebezustand des Dauerschuldverhältnisses nehmen. In der Literatur werden neben der bereits dargestellten BFH-Auffassung weitere unterschiedliche Standpunkte vertreten, die

  • die vollständige Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragspartner[9] oder
  • die einseitige Erfüllung des Vertrags von einem der Vertragspartner[10]

als Zeitpunkt für die Beendigung des Schwebezustands fordern.

 

Rz. 52

Überlässt ein Berechtigter die Nutzung eines Gegenstands gegen laufende zeitnahe Vergütung dieser Leistung, so sind nach beiden Lesarten bis zur Beendigung des Schwebezustands die Grundsätze über die (Nicht-)Bilanzierung schwebender Geschäfte anzuwenden. Dagegen könnte eine Konstruktion sprechen, die auf die Beurteilung der selbstständigen Teilleistung als "Einzelgeschäft" abstellt, deren Schwebezustand mit der jeweiligen Leistung beendet ist; diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zum Wesen eines Dauerschuldverhältnisses als einheitlicher Vertrag.[11]

 

Rz. 53

Das Abstellen auf die einseitige Erfüllung des Vertrags von einem der Beteiligten als Beendigungszeitpunkt des Schwebezustands könnte dagegen im Fall der Vorleistung eines Vertragspartners, insbesondere also bei einer Einmalzahlung des Nutzungsentgelts, den Schwebezustand aufheben. Als Argument gegen diese Einschätzung dient der Hinweis auf die nach derzeitiger Bilanzauffassung zur Beendigung des Schwebezustands geforderte vollständige Leistungserfüllung des Hauptleistungsverpflichteten.[12]

 

Rz. 54

Systematisch fraglich ist allerdings der vom BFH postulierte Vorrang eines gesetzlich nicht kodifizierten Bilanzierungsverbots schwebender Geschäfte vor dem Bilanzierungsgebot von Wirtschaftsgütern.[13] Der BFH hat in zahlreichen Entscheidungen die Wirtschaftsguteigenschaft von dinglichen und auch schuldrechtlichen Nutzungsrechten bestätigt.[14] Erkennt man auf Seiten des Nutzungsüberlassers an, dass seine Leistungspflicht mit der Bestellung des Nutzungsrechts erfüllt ist, mithin die Nutzung nicht im Vertragsverlauf dauernd überlassen werden muss, so wäre in einer Einmalzahlung des Nutzungsentgelts der Erwerb eines Wirtschaftsguts zu sehen, das dann eine Aufnahme in die Bilanz finden müsste. Fraglich ist in diesem Kontext jedoch, ob für die Entscheidung über die Bilanzierung auf die vereinbarten Zahlungsmodalitäten abzustellen ist oder ob die durch laufende Nutzungsentgeltzahlungen erworbenen immateriellen Wirtschaftsgüter die gleiche bilanzielle Behandlung erfahren sollten wie durch Ratenzahlung erworbene materielle Güter.

[1] Vgl. Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 5 EStG Rz. 76.
[2] Vgl. Schubert, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 249 HGB Rz. 53.
[4] Dabei wäre grundsätzlich zu fragen, inwieweit dieses Bilanzierungsverbot den Grundsätzen der Bilanzklarheit und dem Informationsbedürfnis der Bilanzleser gerecht werden kann; zur Diskussion vgl. Kußmaul, Nutzungsrechte an Grundstücken in Handels- und Steuerbilanz, 1987, S. 103 ff., m. w. N. zur Literatur. Gerade aufgrund des dem Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte zugrunde liegenden Ausweisverbots unrealisierter Gewinne wird entgegen der h. M. in der Literatur auch die Ansicht vertreten, dass Nutzungsrechte, soweit eine entgeltlich erw...

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