Leitsatz

1. Der Senat hält auch für Art. 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich daran fest, dass Deutschland für Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Frankreich belegenen Betriebsstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (ständige Rechtsprechung).

2. Ein Verlustabzug kommt abweichend davon aus Gründen des Gemeinschaftsrechts nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (sog. finale Verluste, Anschluss an EuGH-Urteil vom 15.05.2008, C-414/06"Lidl Belgium", Haufe-Index 1994239, BStBl II 2009, 692). An einer derartigen "Finalität" fehlt es zwar, wenn der Betriebsstättenstaat nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulässt (Anschluss an EuGH-Urteil vom 23.10.2008, C-157/07"Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt", BFH/NV 2009, 108). Daran fehlt es jedoch nicht, wenn der Betriebsstättenverlust aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden kann (z.B. bei Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, ihrer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder ihrer "endgültigen" Aufgabe; entgegen BMF-Schreiben vom 13.07.2009, BStBl I 2009, 835).

3. Der ausnahmsweise Abzug der Betriebsstättenverluste ist nicht im Veranlagungszeitraum des Entstehens der Verluste, sondern in jenem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in welchem sie "final" geworden sind (ebenso wie BMF-Schreiben vom 13.07.2009, BStBl I 2009, 835).

4. Die in den Gewinn ausnahmsweise einbezogenen "finalen" Betriebsstättenverluste sind auch in die Ermittlung des Gewerbeertrags einzubeziehen. Sie sind nicht gem. § 9 Nr. 3 GewStG 1999 wieder hinzuzurechnen.

 

Normenkette

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7, Art. 4 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich, § 7 S. 1, § 9 Nr. 3 GewStG, Art. 43, Art. 48 EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, unterhielt bis zum 30.09.2001 Betriebsstätten in Frankreich. Die Betriebsstätten erwirtschafteten in den Jahren 1998 bis 2001 – sowohl nach französischen als auch nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften – Verluste. Die Klägerin hat die Verluste der Streitjahre 2000 und 2001 in Frankreich weder durch einen Verlustrück- noch durch einen Verlustvortrag nutzen können.

Sie macht geltend, die in den Streitjahren erwirtschafteten Betriebsstättenverluste seien in Frankreich "definitiv" geworden; sie seien deswegen im Einklang mit der gemeinschaftlichen Rechtslage im jeweiligen Verlustentstehungsjahr von der deutschen Bemessungsgrundlage abzuziehen.

Das FA lehnte den Verlustabzug ab. Mit ihrer anschließenden Klage hatte die Klägerin teilweisen Erfolg: Das FG Hamburg sprach ihr durch Urteil vom 18.11.2009, 6 K 147/08 (Haufe-Index 2263693, EFG 2010, 265) den beanspruchten Verlustabzug zu und bezog die Verluste in die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage ein, rechnete sie sodann jedoch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags als negative Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG wieder hinzu.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG nur im Ergebnis sowie teilweise auch in der Tenorierung, nicht aber in der Sache, und das in allen drei Streitpunkten:

Weder komme es auf die rechtlichen Verlustabzugsbeschränkungen in Frankreich an noch sei ein möglicher Verlustabzug für die GewSt "gegenzurechnen". Auch dürften die Auslandsverluste frühestens im Veranlagungs- und Erhebungszeitraum abgezogen werden, in welchem sie "final" geworden seien. Letzteres – die "Finalität" – sei aber in der Tat eingetreten, nämlich infolge der tatsächlichen Betriebsstättenaufgabe. Anders als die Verlustabzugsbeschränkungen sei das ein tauglicher Grund, um im Ergebnis eine "Finalität" i.S.d. EuGH-Vorgaben anzunehmen.

Im Ergebnis blieb die Klägerin damit wegen der beschriebenen "Phasenverschiebung" für das Streitjahr 2000 (KSt) ohne Erfolg und sie obsiegte nur mit ihrem Hilfsantrag für das Streitjahr 2001 (GewSt). "Wirtschaftlich" hat sie ihren Prozess jedoch gewonnen (jedenfalls "auf dem Papier" und vorausgesetzt, das BMF verfügt keine Nichtanwendung).

 

Hinweis

Mit diesem Urteil – ebenso wie mit dem Urteil vom selben Tag, dem 09.06.2010, I R 100/09 (in diesem Heft nachfolgend auf S. 407) – knüpft der BFH im Anschluss an die einschlägige Spruchpraxis des EuGH an sein erst kürzlich ergangenes Urteil vom 03.02.2010, I R 23/09 (BFH/NV 2010, 1163) an, das in BFH/PR 2010, 273 vorgestellt (und gegen das Verfassungsbeschwerde, Az. BVerfG: 2 BvR 1177/10, eingelegt) wurde:

1. Verluste sind im Stammhausstaat (als Ansässigkeitsstaat) nur abzugsfähig, wenn sie im Betriebsstättenstaat (als Quellenstaat) endgültig ("final") sind. Die "symmetrische" Freistellung sowohl von Auslandsgewinnen als auch von Auslandsverlusten nach Abkommensrecht ("Symmetriethese") wird dadurch eingeschränkt und für den Fall der Finalität der Verluste aufgehoben. Daran hält der BFH einmal mehr fest und dazu ist im Einzelnen in BFH/PR 2008, 302 gegebene Praxis-Hinweise zu verweis...

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