Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung von Eltern, deren Kinder ein freiwilliges soziales Jahr in Israel geleistet haben

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. 1. § 1 Abs. 1 FSJG enthält keine Förderbeschränkung auf soziale Dienste in Deutschland oder in Europa. Soziale Dienste sind daher weltweit förderungswürdig.
  2. 2. Zum europäischen Ausland i.S.d. § 1 Abs. 2 FSJG gehört auch Israel. Denn Israel ist nach seiner politischen und kulturellen Zugehörigkeit zum europäischen Ausland zu zählen. Die geografische Lage des Landes ist insoweit nicht entscheidend.
  3. 3. Eltern von Kindern, die im Rahmen des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres soziale Dienste in Israel leisten, können kindergeldberechtigt sein.
 

Normenkette

EStG §§ 63, 32; FSJG § 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Nichtgewährung von Kindergeld für zwei Töchter des Kl, die soziale Dienste in Israel leisteten. Es geht vorrangig um die Frage, ob das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres auch soziale Dienste in Israel begünstigt.

Der Kl bezog bis einschließlich Juni 1996 Kindergeld in Höhe von insgesamt 400 DM monatlich für seine Töchter P, geboren am 19. Februar 1977, und B, geboren am 13. Februar 1978. Beide Töchter beendeten ihre Schulausbildung im Juli 1996. Mit einem an die beklagte Behörde gerichteten Schreiben vom 28. Juni 1996 teilte der Kl mit, dass seine Töchter im August 1996 ein freiwilliges soziales Jahr in Israel antreten würden. Während ihrers Auslandsaufenthalts bekämen sie im Kern lediglich freie Kost, freies Quartier sowie ein bescheidenes Taschengeld gestellt. Der Kl beantragte deshalb die Fortzahlung des Kindergeldes für beide Töchter ab August 1996. Von August 1996 bis Mai bzw. März 1997 wurden die Töchter des Klägers vom evangelisch-freikirchlichen Sozialwerk H für soziale Dienste in Israel eingesetzt. Mit Bescheid vom 25. Juli 1996 teilte die Kindergeldkasse mit, dass das Kindergeld nicht weitergezahlt werden würde; § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG sei hier nicht erfüllt, da die sozialen Dienste in Israel keine Dienste seien im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) in Deutschland oder im europäischen Ausland.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt der Kl Klage und trägt im Wesentlichen vor: Die geographische Beschränkung sei verfassungswidrig, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße; klägerseits wird die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG angeregt.

Der Kl beantragt,die Gewährung von Kindergeld für die Tochter P für die Zeit von August 1996 bis einschließlich Mai 1997 und für die Tochter B für die Zeit von August 1996 bis einschließlich März 1997, und zwar jeweils für die Monate in 1996 je Kind in Höhe von 200 DM und für die Monate in 1997 je Kind in Höhe von 220 DM.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Behörde verbleibt bei ihrer Ansicht, dass hier die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG, wonach ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres zu leisten ist, nicht erfüllt werden. Insbesondere sei Israel als geographischer Teil Asiens (so Diercke Weltatlas, vgl. Blatt 94 der Kindergeldakte) nicht dem "europäischen Ausland" im Sinne des § 1 Abs. 2 FSJG zuzuordnen.

Dem Gericht hat die Kindergeldakte, die beim Beklagten geführt wird, vorgelegen. Das Gericht hat vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Stellungnahme zu der Frage erbeten, welche sachlichen Gründe dafür maßgeblich waren, nach § 1 Abs. 2 FSJG Einsätze im "europäischen Ausland" fördern zu wollen. Wegen des Antwortschreibens des Ministeriums vom 19. September 1997 wird auf die Blätter 46 bis 48 der Finanzgerichtsakte verwiesen; hervorzuheben ist, dass das Ministerium mit Hinweis auf die Bundestags-Drucksache 12/4716, S. 12 ausführt, dass u.a. die gesamteuropäische Entwicklungen den Gesetzgeber bewogen haben, die Möglichkeit zu schaffen, ein soziales Jahr im europäischen Ausland zu leisten; ob in diesem Sinne Israel zum europäischen Ausland gehört oder nicht, hat das Ministerium nicht festgestellt. Auf Anfrage des Gerichts hat der Träger der sozialen Dienste in Israel, das evangelisch-freikirchliche Sozialwerk in H, eine Bescheinigung über das Vorliegen der verschiedenen Voraussetzungen nach dem FSJG erteilt; das Sozialwerk spricht sich dafür aus, die sozialen Dienste in Israel von der Förderung nicht auszuschließen, da diese Dienste von Deutschen in Israel in besonderem Maße "der Versöhnung und des Brückenbauens zwischen Deutschland und Israel" förderlich seien (verwiesen wird auf die Blätter 52 bis 53 der Finanzgerichtsakte).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Der Kl ist kindergeldberechtigt, weil seine Töchter mit ihren sozialen Diensten in Israel sämtliche gesetzlichen Förderbestimmungen erfüllen.

Nach den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 und 66 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 ...

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